Neuanpflanzung und Pflege
Planung
„Wer eine Obstanlage plant, muss wissen, wie er sie nutzen will. Da die Lebensspanne von Obstwiesen auf über 100 Jahre ausgelegt ist, handelt es sich bei ihrer Anlage um ein Mehrgenerationsprojekt. Je sorgfältiger die Planung, desto größer die Chance, dass die Bäume ein hohes Alter erreichen und desto wahrscheinlicher wird es, dass sich auch die nächsten Generationen um die Wiese kümmern werden. Aufwand und Ertrag stehen dann in einem guten Verhältnis“ [1].
Pflanzabstand
Der Pflanzabstand ist abhängig von der finalen Kronenbreite der Bäume. Weitere Faktoren, die es zu berücksichtigen gilt, sind die Standorteigenschaften und die Unternutzung. Beispielsweise empfehlen sich als Mindestabstände für eine klassische Streuobstwiese [2].
- 10 m für Pflaumenartige oder Birnen mit pyramidalem Wuchs
- 12 m für Apfelbäume oder unveredelte (sämlingsvermehrte) Walnüsse
- 15 m für Süßkirschen oder veredelte Walnüsse
- 20-25 m für besonders großkronige Obstarten (Mostbirne, Speierling)
Bei geringeren Pflanzabständen drohen die Kronen im Ertragsalter ineinander zu wachsen. Das erschwert die Obsternte massiv und hat negative Auswirkungen auf die Artenvielfalt und Produktivität des Unterwuchses. Sollen die Blütenpflanzen auf der Wiese darunter besonders stark gefördert werden, könnten die Abstände auch erweitert werden. Auf Trockenstandorten hingegen kann aufgrund des verminderten Wuchses mit minimal engeren Pflanzabständen gerechnet werden (bspw. 10 m für Apfelbäume). Temporäre Zwischenpflanzungen mit niederstämmigen Obstbäumen in den Baumreihen erhöhen den Ertrag in der Jugendphase durch die höhere Baumzahl. Sie bergen aber die Nachteile, dass die Pflege insgesamt aufwändiger wird und bei Kronenschluss die als Zwischenpflanzung gesetzten Bäume entfernt werden müssen (nach 15-25 Jahren, je nach Sorte). Die Pflanzung sollte in Reihen geschehen, um Arbeitsgassen, angepasst an die vorhandene Technik, entstehen zu lassen. Das Vorgewende (Raum am Beginn/Ende des Stückes zum Wenden der Maschinen) sollte freigehalten werden. Ebenso sollte ausreichend Abstand zu Hecken oder Waldrändern eingehalten werden (12-24 m, abhängig von der Lage der Hecke/des Waldes), um den Schattendruck zu minimieren. Hält man diesen Abstand ein, kann es positive Effekte durch die höhere Feuchtigkeit und den verminderten Wind geben.
Stammhöhen
- Sollten abhängig von der Unternutzung gewählt werden (siehe #Unterkulturen). Wenn eine maschinelle Bewirtschaftung des Unterwuchses geplant ist, oder eine maschinelle Bewirtschaftung nicht dauerhaft ausgeschlossen werden kann, sollten die Stammhöhen bei Hochstamm-Obstanlagen mindestens 1,80 m, oder besser sogar 2,00 m betragen. Besonders starkwachsende Bäume wie Mostbirnen, Walnüsse oder Esskastanien sollten sogar höher (bis zu 7 m) aufgeastet werden, da die Äste später abhängen und sie keinen intensiven Kronenerziehungsschnitt benötigen (siehe #Erziehungsschnitt).
- Insbesondere bei Pflanzung von junger und daher möglichst klimafitter Pflanzware, müssen die Stammhöhen durch einen fachgerechten Schnitt erst hergestellt werden. Dabei sind die maximalen Wundgrößen und -verhältnissen zu beachten (siehe #Wundgrößen und -verhältnisse).
Kronenform und -aufbau
- Das oberste Ziel für den Kronenaufbau im Obstbaum ist es, ein stabiles Astgerüst zu entwickeln, das die Fruchtlast im Vollertrag tragen kann. Außerdem soll die Unternutzung durch passende Stammhöhen sowie die Obernutzung im Baum hergestellt werden. Dazu gehören insbesondere für (Tafel-)Obstbäume Leitergassen zum Anleitern und die Hauptertragszone im unteren Kronenbereich.
- Finale Baumhöhen und Kronenbreiten hängen von Obstart und Sorte ab (Link zum Kapitel) und sollten in der Planung berücksichtigt werden (siehe #Pflanzabstand). Beispielsweise entwickeln viele Birnensorten schmalere Kronen als die meisten Apfelsorten. Stark kultivierte Obstarten wie Apfel, Birne und viele Pflaumenartige entwickeln eine hohe Fruchtlast, unter der auch Starkäste zusammenbrechen können. Sie benötigen deshalb ein stabiles Kronengerüst, das durch einen fachgerechten Schnitt zielgerichtet aufgebaut und entwickelt werden muss (siehe #Erziehungsschnitt). Im Vergleich dazu benötigen weniger stark kultivierte Baumarten wie Walnuss oder Esskastanie keinen solch intensiven Erziehungsschnitt. Sie müssen lediglich selektiv aufgeastet werden (siehe #Erziehungsschnitt).
Standort
Für die Auswahl geeigneter Obstarten spielen Standort und die damit verbundenen Parameter Boden, Niederschlag und Temperatur eine große Rolle. Am schlechtesten geeignet sind beschattete Standorte in engen Tallagen, Kaltluftbecken oder in unmittelbarer Waldnähe. Ebenso sind trockene, südexponierte Hänge und flachgründige, nährstoffarme oder spätfrostgefährdete Standorte zu meiden. Eine Bodenanalyse kann dabei unterstützen, die Standorteignung festzustellen. Hanglagen haben abhängig von ihrer Ausrichtung unterschiedliche Vor- und Nachteile. Südhänge sind im Zuge des Klimawandels auf Grund der hohen Sonneneinstrahlung und geringen Wasserverfügbarkeit für viele Obstarten ungeeignet. Nur trockenheitstoleranten und sonnenliebenden Obst- bzw. Nussarten bieten sie mehr Wärme und Licht. Dafür steigt die Gefahr von Dürren, Spätfrösten, Sonnenbrand oder Frostrissen. Während es in der Vergangenheit auf Nordhängen Probleme wegen der schwierigeren Abtrocknung gab, wird sich die höhere Feuchtigkeit zukünftig positiv auswirken. An Ost- und Westhängen kann die Gefahr durch Wind durch Heckenpflanzungen eingeschränkt werden. Ostwinde bringen zugleich oft eine besondere Kälte mit sich. Tal- und Auenlagen sowie Senken sind sehr geeignet, wenn die Kaltluft abfließen kann und nicht gestaut wird. Aufzählung von Böden abhängig von ihrer Eignung für den Obstanbau in absteigender Reihenfolge:
- tiefgründige, luftdurchlässige, humose Lehm- und Lössböden
- starklehmige, tonige Böden
- sandige Böden
- flachgründige Böden
- staunasse Böden
Obstarten und Sortenwahl
Die gewählten Obstarten und -sorten hängen von der geplanten Nutzung ab. Anregungen dazu finden sich in [1].
Pflanzung
Der Baum sollte 5 bis 10 cm oberhalb des Bodenniveaus gepflanzt werden, sodass der Wurzelansatz nach dem Absetzen bzw. Nachsacken des Erdreichs mit der Bodenoberfläche abschließt. Zudem ist darauf zu achten, dass die Leitäste an die Fahrgasse angepasst sind. [3][2]
Pflanzzeit
Wurzelnackte Obstbäume sollten idealerweise in der frostfreien Zeit zwischen Herbst und Frühjahr – etwa von Mitte Oktober bis Ende März – gepflanzt werden. Besonders günstig ist eine Pflanzung im späten Herbst. Bis zum Einpflanzen müssen die ungeschützten Wurzeln vor Austrocknung und Wärme bewahrt werden, zum Beispiel durch Einschlagen in feuchte Erde oder das Einwickeln in einen nassen Sack.
Pflanzloch
Wird ein Wühlmauskorb in passender Größe (1 m Durchmesser, 1 m Höhe) verwendet, sollte die Pflanzgrube einen Durchmesser von 1 m und eine Tiefe von 60 cm aufweisen. Erfolgt die Pflanzung ohne Wühlmauskorb, genügt es, die Grube etwa 10 cm größer als das Wurzelvolumen des Baumes anzulegen.
Pflanzpfahl
Die Baumanbindung aus Naturfaser wird knapp unterhalb des Kronenansatzes angebracht, wobei sie am Stamm höher liegt als am Pflanzpfahl. Am Pfahl selbst ist die Anbindung rutschfest zu fixieren. Für den Pflanzpfahl sollten möglichst unbehandelte, langlebige Hölzer wie Robinie, Esskastanie oder geviertelte Eiche verwendet werden, um die Standfestigkeit sicherzustellen. Bei einer einfachen Pflanzung ohne Beweidung genügt ein einzelner Pflanzpfahl.
Wühlmausschutz
Wird ein Wühlmauskorb verwendet, sollte dieser ausreichend groß dimensioniert sein (Höhe 100 cm, Durchmesser 100 cm) und eine Maschenweite von 13 mm aufweisen. Der Korb muss über den Wurzeln etwa 10 cm unterhalb der Bodenoberfläche vollständig geschlossen werden, indem der Draht direkt über die Wurzeln gelegt wird. Nach der Pflanzung mit einem Wühlmauskorb empfiehlt es sich, die Baumscheibe mit einer etwa 5 cm dicken Schicht organischen Materials (z. B. Kompost oder Mist) abzudecken. Dies erleichtert zudem das spätere Hacken.
Verbissschutz
Wildverbiss
Der Baum sollte mit einer etwa 100 cm hohen Drahthose oder Volierendraht vor Wildverbiss und kleinen Nagern geschützt werden. Die Maschenweite sollte 13 mm betragen, und der Schutz zum Boden hin abgeschlossen sein, indem er leicht in den Boden eingedreht wird. Für eine langfristige Passform sollte der Umfang des Volierendrahtes etwa 1 m betragen. Um die Baumscheibe zu pflegen und den Stamm zu kontrollieren, lässt sich das steife Drahtgeflecht gut verschieben. Der Schutz sollte so lange bestehen bleiben, bis die Rinde vollständig verborkt ist. Von der Verwendung von Plastikmanschetten als Befestigung ist abzusehen.
Schutz bei Beweidung
Bei Beweidung der Fläche muss ein ausreichender und langlebiger Stammschutz gewährleistet sein. Dieser Schutz ist vor Beginn der Beweidung anzubringen, an die jeweilige Tierart anzupassen und muss auch gegen Wildtiere wirksam sein. Gleichzeitig soll die Ausführung so erfolgen, dass die Pflege der Baumscheibe und des Stamms weiterhin möglich bleibt.
Mögliche Schutzmaßnahmen
- Normannisches Korsett:
- Beschreibung: Metallgitter mit kleinen Spitzen, das an einem Pfahl befestigt wird. Je nach Tierart wird es mit ein oder zwei Eisenstangen innen verstärkt. Zum Schutz gegen Wildtiere wird zusätzlich von innen hinter dem Korsett ein Volierendraht angebracht, um ein schnelles Einwachsen zu verhindern.
- Eignung:
- Schafe: ohne Verlängerung, 1 Eisenstange
- Ziegen: ohne Verlängerung, 1 Eisenstange, Volierendraht bis zum Astansatz innen
- Pferde und Rinder: mit Verlängerung, 2 Eisenstangen
- Dreierverschlag nach Thomas Lochschmidt:
- Beschreibung: Dreibock-Konstruktion mit Einhausung der Seitenflanken durch Wildzaun (untere 50–60 cm bleiben offen). Für den Wildschutz ist zusätzlich ein Volierendraht erforderlich.
- Eignung
- Rinder und Pferde
- Schafe und Ziegen (hier muss der Draht weiter nach unten geführt und öffnungsfähig sein; unten sollte die Maschenweite enger sein, um Steckenbleiben zu vermeiden)
- Elektroverschlag (für Hofnähe):
- Beschreibung: Vier Kunststoff-Weidepfähle im Abstand von 1 m plus Wildschutzzaun
- Eignung: Rinder, Pferde, Schafe, Ziegen; funktioniert nur bei gesicherter Stromzufuhr
Mit zunehmender Standfestigkeit des Baumes kann auch ein Verbissschutz aus Brettern eingesetzt werden (Bretter werden mit Schrauben auf drei nach außen gerichteten Lochbändern mit 2 cm Abstand befestigt). Solange die Rinde noch nicht verborkt ist, ist ein zusätzlicher Schutz gegen Hasen und Mäuse erforderlich, hier jedoch ohne Volierendraht. Bei Pferden und Ziegen ist mit hoher Weideintensität ein dauerhafter Stammschutz notwendig. Für die Pfähle sollten vorzugsweise unbehandelte, langlebige Hölzer wie Robinie, Ess-Kastanie oder geviertelte Eiche verwendet werden.
Angießen
Rund um den Baum sollte ein Gießrand mit einem Durchmesser von etwa 80 cm (gemessen von Kuppe zu Kuppe) und einem Fassungsvermögen von ca. 20 Litern angelegt werden. Die Form des Gießrandes sollte so gestaltet sein, dass Wasser – auch an Hanglagen – zum Stamm hinfließen kann. Um einen guten Bodenschluss zu erreichen, ist ein gründliches Einschlämmen der Obstbäume erforderlich. Daher sollten die Bäume direkt nach der Pflanzung mit mindestens 50 Litern Wasser gut gewässert werden. Zur Verbesserung der Wasserspeicherung im Boden können zudem Splitzylinder, Baumschnorchel, Pflanzenkohle oder geeignete Bodenzuschlagsstoffe eingesetzt werden.
Wässern
Eine ausreichende Wasserversorgung ist insbesondere in den ersten Standjahren sowie bei Trockenheit von zentraler Bedeutung. Ein Triebzuwachs von mindestens 60 cm nach drei Jahren kann nur mit einer verlässlichen Wasserversorgung erreicht werden. In den ersten beiden Jahren nach der Pflanzung ist während der Vegetationsperiode eine regelmäßige Bewässerung erforderlich: zunächst im 14-tägigen Rhythmus (beginnend etwa zwei Wochen vor dem Blattaustrieb bis Juli), anschließend alle drei Wochen bis September. Dabei sollten pro Gießvorgang jeweils 20 Liter Wasser ausgebracht werden. Im dritten Standjahr erfolgt die Wasserversorgung abhängig von Standortbedingungen und Witterungsverlauf. Bei Bedarf – insbesondere bei Trockenheit – sind 40 bis 60 Liter pro Gießgang auszubringen. Während längerer Trockenperioden kann eine zusätzliche Bewässerung notwendig werden. In diesem Fall sollte nicht die Frequenz, sondern die Wassermenge je Gießvorgang erhöht werden – auf bis zu 60 Liter. In regenreichen Jahren kann die Wassermenge reduziert werden.
Baumscheibe
Hacken Eine mindestens einmalige, flachgründige Bearbeitung der Baumscheibe (Durchmesser 1 m) vor Beginn der Vegetationsperiode ist erforderlich. Ziel ist es, bis zum dritten Standjahr einen jährlichen Triebzuwachs von mindestens 60 cm – bei trockenen Standorten 70 cm – zu erreichen. Wird dieses Wachstum nicht erreicht oder zeigt der Jungbaum zu einem späteren Zeitpunkt Anzeichen von Vitalitätsschwäche, sollte das regelmäßige Hacken der Baumscheibe über den Dreijahreszeitraum hinaus fortgeführt werden. Bei älteren Bäumen empfiehlt sich in solchen Fällen das Anlegen einer ringförmigen Baumscheibe im Traufbereich der Krone. Zusätzlich kann eine Bodenaktivierung sinnvoll sein, etwa durch das Einbringen von Kompost, gut abgelagertem Stallmist oder anderen organischen Materialien. Bei Wühlmausbefall sollte jedoch kein Mulch verwendet werden. Kommen Holzhäcksel zum Einsatz, ist zur Aufrechterhaltung eines ausgewogenen Kohlenstoff-Stickstoff-Verhältnisses die Zugabe von stickstoffhaltigen Materialien wie Wollmehlpellets oder Hornspänen notwendig.
Pflanzware
Wurzel und Unterlagen
Der Wurzelstock bzw. die Unterlage hat großen Einfluss auf die Größe, Vitalität und Lebensdauer eines veredelten Obstbaums. Die starkwüchsigsten und anpassungsfähigsten Unterlagen sind Sämlingsunterlagen, d.h. generativ vermehrte Unterlagen aus Aussaaten [4]. Für den Streuobstbau in freier Landschaft sind Sämlingsunterlagen gegenüber vegetativ vermehrten Typenunterlagen zu bevorzugen.
Gekaufte Pflanzware
Wurzelnackte Jungbäume sollten vor Bäumen mit Ballen- oder Topfware vorgezogen werden. Dabei gilt, je jünger der Baum, desto besser kann er sich an den Standort anpassen. Aus dieser Perspektive ist möglichst junge Pflanzware, z.B. mit Stammumfang 6/8 cm, vor älteren bzw. größeren Qualitäten zu bevorzugen [2]. Noch bessere Qualitäten bieten junge Sämlinge aus Airpruning-Töpfen, die den Drehwuchs der Wurzeln verhindern und eine ungestörte Pfahlwurzelbildung erlauben, wenn die Bäume in der Baumschule nicht verschult werden (d. h. einen Wurzelschnitt erfahren).
Direktsaat
Das naturnäheste Pflanzverfahren ist die Direktsaat von ausgewähltem Saatgut direkt am Standort. Nach Aufgehen der Saat sind die besten Sämlinge zu selektieren und vor Ort zu veredeln, sodass am Ende ein veredelter Baum entsteht. Die Vorteile von Direktsaat sind [5]:
- kein Umpflanzschock
- Wurzelentwicklung ohne Störeinflüsse
- hohe Stabilität und Standfestigkeit
- frühe Anpassung an lokale Standortbedingungen
- Selektion der vitalsten Bäume am Standort
- Etablierung trockenheitstoleranter Unterlagen
- Verbreiterung der genetischen Vielfalt
- Erhöhung der Resilienz im Klimawandel
- Sämlinge sind verfügbar für weitere Forschungsfragen
- Beobachtung & Forschung vor Ort
Begleitvegetation
Mit vereinfachten Ansätzen der syntropischen Landwirtschaft [6], kann eine Begleitvegetation mit anderen Gehölzen die Vitalität der Obstbäume erhöhen [7]. Besonders bei sehr dichter Pflanzung mit noch wüchsigeren Pionierbaumarten wie Pappel, Weide, oder Erle zieht die Begleitvegetation eine intensive Pflege nach sich. Das bedeutet, dass die Begleitvegetation mehrmals im Jahr geschnitten werden muss, damit sie die Kronen der Obstbäume nicht überwuchern und deren Wuchs behindern oder sogar unterdrücken.
Baumschnitt
Einführung
Obstbäume zu schneiden ist anspruchsvoll. Dieser Beitrag kann daher nur eine sehr grobe Orientierung geben und keineswegs Kurse oder langjährige Erfahrung ersetzen. Der Schnitt ist auf die unterschiedlichen Baumarten bzw. Sorten und die Ziele der Bewirtschafter anzupassen. Auf Basis der Ziele werden Schnittmaßnahmen ergriffen. Der fachgerechte Schnitt zeichnet sich dadurch aus, dass die ergriffenen Maßnahmen die Vitalität und Lebensdauer der Bäume fördern (2,6).
Wuchsgesetze
Die Wuchsgesetze der Bäume zu verstehen ist die Grundlage, um Wirkung der Schnittmaßnahmen abzuschätzen. Deren Verhältnis zueinander variiert zwischen Baumarten und Sorten. Beispielsweise ist bei besonders schmalkronigen Birnen die Spitzenförderung besonders dominant. Es gelten folgende Wuchsgesetze:
- Spitzenförderung
- Mittenförderung
- Oberseitenförderung
- Blattmasse
Schnitttechniken
Grundtechniken
- Anschneiden: der Anschnitt erfolgt auf eine bestimmte Knospe und stärkt die entsprechende Astpartie am meisten; wichtig ist, ausreichend Abstand vom Schnitt zur Knospe zu lassen, um ein Eintrocknen zu verhindern (Kernobst: mind. 1 cm; Steinobst: mind. 2 cm)
- Ableiten: beim Ableiten wird eine Astpartie auf einen Seitentrieb umgelenkt; das schwächt die entsprechende Astpartie im Verhältnis zum Anschnitt
- Einkürzen: teilweises Abschneiden eines einjährigen oder jüngeren Triebabschnitts mit dem Ziel der Förderung neuer Seitentriebe sowie der Stärkung der Verzweigung.
- Entfernen von Konkurrenztrieben: Ausschneiden von Trieben, die mit dem Mitteltrieb oder Leitästen konkurrieren (wichtig in der Erziehungsphase zur Herstellung einer Kronenstabilität).
Besondere Techniken
- Auge-Umkehr
- Winkelschnitt
- Senk- und Klappschnitt
Schnittarten
Erziehungsschnitt
Der Erziehungsschnitt zielt darauf ab, eine stabile Baumkrone zu entwickeln, die eine hohe Vitalität und eine lange Lebensdauer fördert. Er erfolgt bis zum Abschluss des Kronenaufbaus jährlich. Dadurch können im Alter längere Schnittintervalle eingehalten und der Arbeitsaufwand reduziert werden. Gleichzeitig soll eine hohe Fruchtqualität bei guter Bearbeitbarkeit gewährleistet sein.
- Oeschberg-Schnitt: Dieser ist besonders für Kern- und Steinobstarten geeignet. Er zielt darauf ab, eine langfristig tragfähige Krone aufzubauen, die während der Lebensdauer des Baumes möglichst wenig Pflegeaufwand nach sich zieht. Dafür ist die Erziehung in der Jugendphase entsprechend intensiv. In den ersten Jahren sind mindestens vier bleibende Leitäste auszuwählen, deren Ansatz mindestens 180 cm, idealerweise 200 cm, über dem Boden liegt. Ein Versatz der Leitäste von 5 bis 25 cm sollte angestrebt werden. Die Leitäste müssen fest am Stamm verankert sein und anfangs einen flachen, im weiteren Verlauf jedoch steiler werdenden Winkel aufweisen (ähnlich der Form eines Weißweinglases). Sie sollten an die Fahrgasse angepasst sein und dürfen nicht vergabelt wachsen. Langfristig sollte das Verhältnis von Leitaststärke zur Stammdicke oberhalb des Ansatzes zwischen 80 und 90 % liegen, ebenso wie die Länge der Jahrestriebe. Weiterhin sollten 3 bis 5 gut angesetzte Seitenäste am Leitast vorhanden sein, mit einem Dickenverhältnis von etwa 70 % im Vergleich zum Leitast. Die Stammmitte einschließlich ihrer Verlängerung sollte senkrecht im Lot stehen. Fruchtholz sollte untergeordnet an den Gerüstästen wachsen (ca. 40 % Verhältnis), während Trittäste bzw. begleitende Fruchtäste waagerecht an der Stammverlängerung mit etwa 50 % Stärke ansetzen sollten.
- Das selektive und mehrstämmige Aufasten eignet sich für Wildobstarten und Nussbaumarten, wie bspw. Walnuss oder Esskastanie. Die Schritte sind:
- Selektives Aufasten auf 6-8 m Höhe in den ersten 15-20 Jahren; Schnitt alle ein bis vier Jahre!
- Stammverlängerung herausarbeiten; Konkurrenzen entnehmen oder einkürzen, unterordnen
- Maximal 50 Prozent der Gesamtbaumhöhe soll ausgeästet werden
- 2 bis 4 Äste je Arbeitsgang (außer bei Pflegerückstand)
- Auf Astring schneiden
- Schnittwunde nicht über 4 cm Wunddurchmesser; Wunderverhältnis von maximal ca. 30 % zur darüberliegenden Ast- oder Stammpartie
- die starken Äste immer zuerst entnehmen
- Keine zwei Wunden direkt übereinander
- Unterschiedlichen Schnittzeitpunkt der Bäume beachten
Umstellschnitt
Bei Bäumen, bei denen kein oder kein fachgerechter Schnitt durchgeführt wurde und eine nachträgliche Kronenerziehung noch möglich ist (Vitalität vorhanden, keine zu großen Wunden). Jährlich über einen Zeitraum von 3–10 Jahren, je nach Baumgröße:
- Kronenumstellung und -erziehung zur Verbesserung der Statik
- Revitalisierung
- Verlängerung der Lebensphase
- Anpassung an die Unternutzuung.
Altbaum: Erhaltungsschnitt
Bei Bäumen, die regelmäßig geschnitten wurden oder bereits revitalisiert sind, alle 2–7 Jahre je nach Alter und Vitalität:
- Erhalt des Kronenaufbaus
- Auslichten der Krone
- Anregung zum Neutrieb (10-25 cm/Jahr)
Altbaum: Verjüngungsschnitt
Bei Bäumen, bei denen kein oder nicht fachgerechter Schnitt durchgeführt wurde, Jahrestrieb > 2 cm, alle 5–7 Jahre:
- Verbesserung der Statik
- Revitalisierung
- Verlängerung der Lebensphase
- Wiederherstellung des Gleichgewichts aus Neutrieb und Ertrag
- Anregung zum Neutrieb (10-25 cm/Jahr)
- Ermöglichung des Lichteinfalls in alle Kronenteile
Hinweis: Bei zu schwachen Bäumen (Jahrestrieb < 2 cm) kann ein Verjüngungsschnitt das Absterben beschleunigen.
Wundgrößen und -verhältnisse
Beim Schneiden sind die zu erwartenden Wundgrößen und deren Verhältnis zum verbleibenden Holz unbedingt zu berücksichtigen.
Wundverhältnis
Schnitte am Stamm oder an Gerüstästen sollten nur dann erfolgen, wenn die entstehende Wunde bei Kernobst maximal 50 % und bei Steinobst und Walnuss maximal 30 % des verbleibenden Astdurchmessers beträgt. Ist eine Korrektur bei unpassendem Wundverhältnis erforderlich, obwohl die Wundgröße vertretbar wäre, sind die betreffenden Partien zunächst auf einen versorgenden Stummel einzukürzen. Das geeignete Wundverhältnis kann sich im Laufe der Zeit einstellen, sodass eine vollständige Entfernung zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen kann.
Wundgröße
Schnitte mit einem Durchmesser von 5–10 cm (Grobastschnitte) oder über 10 cm (Starkastschnitte) gelten gemäß ZTV-Baumpflege als potenziell schädlich für Jungbäume. Deshalb sollten Schnittmaßnahmen mit einem Durchmesser über 5 cm grundsätzlich nicht direkt am tragenden Gerüst (Stammverlängerung oder Gerüstäste) vorgenommen werden. Bei Steinobst und Walnuss sollte der Wunddurchmesser nicht mehr als 3 cm betragen, da diese Baumarten Wunden schlechter verschließen. Ausnahmen gelten bei sehr vitalen Bäumen mit einem Jahreszuwachs von über 60 cm (bzw. 70 cm an trockenen Standorten): Hier können Schnitte bis maximal 10 cm Durchmesser bei passendem Wundverhältnis vertretbar sein. Eine weitere Ausnahme bildet der Entlastungsschnitt, der einer akuten Bruchgefahr der ganzen Astpartie oder des ganzen Baumes entgegenwirkten sollen.
Wundbehandlung
Bei größeren Wunden an Stamm oder Gerüstästen sowie bei mittig aufliegenden (Oberseiten-) Wunden kann eine Wundbehandlung sinnvoll sein. Diese erfolgt mit Lehm und ggf. Propolis wie folgt:
- Bestreichen des freiliegenden Kernholzes mit Propolis,
- Verschließen der Wunde mit Lehm,
- Fixierung des Lehms mit Jutestoff,
- abschließendes Überziehen der Jute mit einer weiteren Lehmschicht.
Statische und strukturelle Schwachstellen
Bereits bestehende größere Problemstellen sollten zunächst auf einen versorgenden Stummel zurückgeschnitten und in späteren Schnittintervallen – bei passender Wundgröße und -verhältnis – schrittweise entfernt werden. Eine Ausnahme gilt für Kernobst mit glatter Rinde: Hier kann auch ein unversorgter Stummel stehen bleiben. In diesem Fall sollte dessen Länge mindestens dem Durchmesser der vermiedenen Wunde entsprechen.
Hinweis zu Wundverschlussmitteln
Die Verwendung herkömmlicher Wundverschlussmittel wird nicht empfohlen. Ausnahmen bilden ausschließlich Behandlungen mit Lehm, Propolis und Jutestoff – und nur bei Wunden direkt am Stamm oder an Gerüstästen.
Schnittzeitpunkt
Jungbaum
Der Baumschnitt sollte idealerweise an frostfreien Tagen während der vegetationslosen Zeit durchgeführt werden. Dabei ist darauf zu achten, dass die zu schneidenden Knospen noch nicht ausgetrieben sind. Eine Ausnahme gilt bei sehr starkem Triebwachstum (> 60 cm, bzw. > 70 cm an trockenen Standorten): In solchen Fällen kann der Schnitt auch bis in den Mai hinein erfolgen. Bereits ausgetriebene Konkurrenztriebe sind dann sorgfältig auszubrechen.
Altbaum
Der Schnitt sollte zur Triebförderung idealerweise an Tagen ohne Starkfrost in der vegetationslosen Zeit erfolgen (schwachtriebige Altbäume mit 2-10 cm Jahrestrieb). Triebige Altbäume (10-25 cm Jahrestrieb) sollten ab der Blüte geschnitten werden, um einen zu starken Trieb im nächsten Jahr zu verhindern und längere Schnittintervalle zu ermöglichen. Umso schwächer der Trieb (bei 10-25 cm Jahrestrieb), desto früher im Sommer sollte geschnitten werden. Ist hier nur ein Schnitt in der vegetationslosen Zeit möglich, sollte dieser schrittweise über zwei Jahre durchgeführt werden. Schnittempfindliche aber vitale Bäume (Steinobst) sollten zur besseren Wundverheilung ebenfalls im Sommer geschnitten werden. Entlastungsschnitte sollten in der vegetationslosen Zeit vorgenommen werden.
Unterkulturen
Unterkulturen können Wiese, Weide, Acker oder Gartenland sein (Link zu Kapitel „Bewirtschaftung des Unterwuchses“). Obstarten/-Sorten, Kronenform und Stammhöhen sind der gewünschten Unternutzung anzupassen (siehe #Planung). Dies geht nur in der Erziehungsphase. Bei Altbäumen sollte umgekehrt die Unternutzung an den Baumbestand angepasst werden.
Einzelnachweise
- ↑ 1,0 1,1 1,2 Grolm, M. (2025).Planung von Streuobstwiesen. D. Dujesiefken, T. Amtage, & M. Streckenbach (Hrsg.), Jahrbuch der Baumpflege (Bd. 29). Haymarket Media.
- ↑ 2,0 2,1 2,2 Thüringer Ministerium für Umwelt, Energie und Naturschutz. (2025)Thüringer Handlungskonzept Streuobst [PDF].
- ↑ Bosch, H.-T., Fortak, S., Grundler, H., et al. (2023).Standards der Obstbaumpflege: Empfehlungen für eine fachgerechte Pflege großkroniger Obstbäume. Pomologen-Verein e. V.
- ↑ Wilfling, A. (2023).Klimaresiliente Mehrnutzen-Hochstamm-Produktionssysteme für eine zukunftsfähige Bewirtschaftung im Obstbau & Agroforst. Obst – Wein – Gartenbau, 92, 3–5.
- ↑ Wilfling, A. (2025).Königsdisziplin Direktsaat – Resiliente Sämlingsunterlagen für moderne Superhochstamm-Produktionssysteme.. Besseres Obst, 8.
- ↑ Dos Santos Rebello, J. F., & Sakamoto, D. G. (2024).Syntropic agriculture according to Ernst Götsch (English edition). (Original work published in Portuguese).
- ↑ Maringer, J., Radtke, M., & Schulz, C. (2025).Design- und Managementprinzipien für klimaresiliente Streuobstwiesen & alternative Baumarten. Ministerium für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg.