Splintholzkäfer

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Splintholzkäfer

Die Splintholzkäfer Scolytus mali (Großer Obstbaumsplintkäfer) und Scolytus rugulosus (Kleiner Obstbaumsplintkäfer) gehören zur Familie der Rüsselkäfer (Curculionidae) und zur Unterfamilie der Borkenkäfer (Scolytinae). Beide Arten zählen in Mitteleuropa zu den bedeutendsten holz- und rindenbewohnenden Sekundärschädlingen an Obstgehölzen. Sie treten überwiegend an geschwächten, verletzten oder absterbenden Bäumen auf und können bei starkem Befall zum Absterben einzelner Kronenteile oder ganzer Bäume führen (1)(2). Im Lebensraum Streuobstwiese sind die Käfer Teil der natürlichen Zersetzergemeinschaft, nehmen aber bei anhaltendem Trockenstress oder mangelhafter Pflege auch wirtschaftliche Bedeutung an. Verwandte Arten wie Xyleborinus saxeseni (Runzliger Obstbaumsplintkäfer) oder Xyleborus dispar (Ungleicher Holzbohrer) verursachen ähnliche Fraßbilder, gehören jedoch zu anderen Gattungen (2).

Taxonomie / Systematik

• Ordnung: Coleoptera – Käfer • Familie: Curculionidae – Rüsselkäfer • Unterfamilie: Scolytinae – Borkenkäfer • Tribus: Scolytini • Gattung: Scolytus Geoffroy, 1762 • Arten: o Scolytus mali (Bechstein, 1805) – Großer Obstbaumsplintkäfer o Scolytus rugulosus (Müller, 1818) – Kleiner Obstbaumsplintkäfer Die Gattung Scolytus umfasst etwa 120 beschriebene Arten mit paläarktischer, orientalischer und nearktischer Verbreitung (3). Die beiden genannten Arten sind in Europa heimisch und morphologisch gut bestimmbar. Sie besitzen abgeflachte Fühlerkeulen, einen leicht geneigten Flügeldeckenabfall und einen charakteristischen Bau der Bauchsternite, der zwischen den Arten differiert (3).

Verbreitung

Scolytus mali und Scolytus rugulosus sind in der gesamten Paläarktis verbreitet (3)(4). In Mitteleuropa kommen sie von den Tiefebenen bis in mittlere Gebirgslagen vor. In Österreich, Deutschland und der Schweiz gelten sie als regelmäßige Begleiter alter Obstbestände, Gartenbäume und Streuobstwiesen (2)(5). Beide Arten bevorzugen wärmere, trockenere Lagen, wo Obstgehölze durch Trockenstress oder Alterung geschwächt sind. Sie können auch in Baumschulen oder Jungpflanzungen auftreten, wenn die Pflanzen durch Transport oder Pflanzfehler geschädigt wurden (2). Primärbefall gesunder Bäume ist dagegen selten.

Biologie und Krankheitszyklus

Scolytus mali und Scolytus rugulosus sind phloeophage Käfer, die sich vom Bastgewebe (Phloem) unter der Rinde ernähren. Sie besiedeln vorwiegend geschwächte, absterbende oder frisch abgestorbene Obstbäume. Die Tiere sind monogam; das Weibchen sucht geeignetes Holzmaterial auf und bohrt eine kurze Einbohröffnung bis zum Kambium. Dahinter legt es eine kleine Kammer an, von der aus ein längs zur Holzfaser verlaufender Muttergang ausgeht. Entlang des Mutterganges werden die Eier einzeln in kleine Nischen abgelegt und mit Bohrmehl bedeckt. Nach dem Schlupf fressen die Larven fächerförmig vom Muttergang weg durch das Bastgewebe und teilweise in den Splint. Ihre Fraßgänge sind deutlich an der Unterseite der Rinde sichtbar und verlaufen meist senkrecht zum Muttergang. Die Verpuppung erfolgt im äußeren Splintholz oder in der inneren Rinde. Nach Abschluss der Entwicklung bohren sich die Jungkäfer durch kleine runde Ausflugslöcher ins Freie. In Mitteleuropa tritt in der Regel eine Generation pro Jahr auf; in warmen und trockenen Jahren kann sich eine teilweise zweite Generation entwickeln. Die Käfer überwintern je nach Art und Standort als Larven, Puppen oder Jungkäfer im Holz. Der Hauptflug erfolgt ab dem späten Frühjahr, meist von Mai bis Juli. Nach dem Ausflug erfolgt ein kurzer Reifungsfraß an jungen Trieben und Blattstielen, bevor die Weibchen erneut Eiablagekammern anlegen. Trockenheit, hohe Temperaturen und geschwächte Bäume fördern die Entwicklung der Splintholzkäfer erheblich, da die Abwehrmechanismen der Wirtspflanzen bei Wassermangel reduziert sind. In vitalen Beständen kommt es dagegen nur selten zu einer erfolgreichen Besiedlung (3)(4).

Symptome

Ein Befall äußert sich durch Welken einzelner Kronenteile ab Juni, Bohrmehlauswurf aus der Rinde, Harzfluss oder Gummifluss, sowie rundliche Ein- und Ausbohrlöcher (2). Unter der Rinde zeigen sich typische Fraßbilder: ein längsgerichteter Muttergang mit seitlich abzweigenden, fächerförmig verlaufenden Larvengängen. Im Verlauf lösen sich Rindenpartien, das Gewebe verfärbt sich dunkelbraun, und in späteren Stadien treten sekundäre Fäulen auf. Absterbende Äste und vermehrte Stock- oder Stammaustriebe sind weitere Anzeichen eines Befalls (2).

Bedeutung für Streuobstwiesen

In extensiv bewirtschafteten Streuobstbeständen kommen S. mali und S. rugulosus regelmäßig vor. Sie befallen vor allem alte Hochstämme oder Bäume, die durch Trockenheit, Nährstoffmangel oder Schnittmaßnahmen geschwächt wurden (5). Streuobstwiesen sind ein charakteristisches Element der Kulturlandschaft Mitteleuropas und in Österreich von der UNESCO als immaterielles Kulturerbe anerkannt (5). Ihr ökologischer Wert beruht auf hoher Biodiversität und Sortenvielfalt. Alte, teilweise abgestorbene Bäume bieten zahlreichen Insekten, darunter auch Splintholzkäfern, Lebensraum. Ein maßvolles Gleichgewicht zwischen Erhalt wertvoller Altbäume und der Vermeidung von Käferherden ist daher wichtig. Stark befallene oder abgestorbene Bäume sollten entfernt werden, um den Befallsdruck auf den Bestand zu verringern (2).

Sortenanfälligkeit

Scolytus mali befällt hauptsächlich Apfel (Malus domestica), Birne (Pyrus communis) und Eberesche (Sorbus aucuparia). Scolytus rugulosus tritt häufig an Pflaume (Prunus domestica), Kirsche (P. avium, P. cerasus) und Apfel auf (2). Die Anfälligkeit wird durch Baumvitalität und Rindenstruktur beeinflusst. Sorten mit glatter, rissfreier Rinde und gutem Wasserversorgungszustand zeigen eine geringere Befallswahrscheinlichkeit. In alten Streuobstsorten finden sich oft individuell robuste Genotypen, die unter Trockenstress weniger anfällig sind (5).

Bekämpfung und Management

Biologische Maßnahmen

Der Einsatz von entomopathogenen Pilzen, insbesondere Beauveria bassiana, zeigte in Labor- und Feldversuchen hohe Wirksamkeit gegen verschiedene Scolytus-Arten (6). Formulierungen auf Ölbasis oder als Invert-Emulsion erreichten über 80 % Mortalität erwachsener Käfer, ohne negative Umweltwirkungen. Diese Methode gilt als vielversprechende Alternative zur chemischen Bekämpfung. Auch parasitäre Nematoden und räuberische Insekten tragen zur natürlichen Regulation der Population bei (4).

Kulturelle Maßnahmen

Vorbeugung durch gute Pflege ist entscheidend. Dazu zählen eine ausreichende Wasserversorgung, sachgerechter Schnitt und die Vermeidung von Rindenverletzungen. Befallenes Material sollte zeitnah aus dem Bestand entfernt und abgetrocknet oder gehäckselt werden, damit sich Larven nicht weiterentwickeln können (2). Lehm-Jute-Bandagen, Stammanstriche oder mechanische Schutzeinrichtungen sind gegen Borken- und Splintholzkäfer nicht wirksam (2).

Chemische Maßnahmen

Chemische Behandlungen werden im Streuobstbau nicht angewendet und sind aufgrund der geschützten Lebensweise der Käfer unter der Rinde meist wirkungslos. Sie widersprechen außerdem den Grundsätzen des ökologisch orientierten Obstbaus (1)(3).

Integrierte Strategien

Ein integriertes Management kombiniert Pflegemaßnahmen, Entfernung befallener Bäume und Förderung natürlicher Gegenspieler. In Streuobstsystemen wird eine periodische Kontrolle auf Bohrmehl und Ausflugslöcher empfohlen. Durch rechtzeitige Entnahme befallener Stämme und biologische Behandlungen kann der Befall nachhaltig eingedämmt werden (2)(6). Klimatische Veränderungen mit häufigeren Trockenperioden können die Bedeutung dieser Schädlinge verstärken (4). Ein präventiver, pflegeorientierter Ansatz gewinnt daher weiter an Relevanz.

Forschung und Entwicklung

Die Forschung zu Borken- und Splintholzkäfern konzentrierte sich lange auf forstwirtschaftlich relevante Arten. Neuere Untersuchungen berücksichtigen zunehmend auch an Obstgehölzen auftretende Scolytus-Arten. Dabei stehen die Wechselwirkungen zwischen Käfern, assoziierten Mikroorganismen und klimatischen Faktoren im Vordergrund (3)(4). Biologische Kontrollstrategien, Pheromonforschung und molekulargenetische Analysen tragen zu einem besseren Verständnis der Populationsdynamik bei. In Österreich und Deutschland werden diese Erkenntnisse auch für das Management von Streuobstbeständen genutzt, um ökologische und wirtschaftliche Ziele miteinander zu verbinden (5).

Einzelnachweise

1. Pflanzenschutzdienst des Landes Brandenburg (2018). Merkblatt: Borkenkäfer an Laubbaumpflanzungen. LELF Frankfurt (Oder). 2. Lehmann, M. & Zimmer, B. (2018). Borkenkäfer an Laubbaumpflanzungen. Landesamt für Ländliche Entwicklung, Landwirtschaft und Flurneuordnung Brandenburg. 3. Smith, S. M. & Hulcr, J. (2015). Scolytus and other Economically Important Bark and Ambrosia Beetles. In: Bark Beetles, Elsevier, 495–503. doi: 10.1016/B978-0-12-417156-5.00012-5. 4. Lortkipanidze, M. et al. (2020). Role of the major ecological factors on the formation of nematode fauna. International Journal of Fauna and Biological Studies 7(2): 65–70. 5. Breinesberger, J. et al. (2024). Streuobstanbau in Österreich – Immaterielles Kulturerbe der UNESCO. ARGE Streuobst Österreich, Klosterneuburg. ISBN 978-3-9505403-1-4. 6. Batta, Y. A. (2007). Biocontrol of almond bark beetle (Scolytus amygdali) using Beauveria bassiana. Journal of Applied Microbiology 103: 1406–1414. https://doi.org/10.1111/j.1365-2672.2007.03369.x