Birnenverfall
Birnenverfall (‘‘Pear Decline‘‘)
Inhalt
Ursachen und Erreger Symptome Diagnose Bekämpfung und Gegenmaßnahmen Unterschiedliche Sortenanfälligkeit Phytoplasmenresistente Unterlagen Forschung und Perspektiven Fazit Einzelnachweise
Der Birnenverfall (‘‘Pear Decline‘‘) bedroht in vielen Regionen Europas den Birnenanbau ernsthaft. Die Krankheit betrifft sowohl den Erwerbsobstbau als auch landschaftsprägende Streuobstbäume. Sie führt zu einer Vielzahl von Symptomen, darunter Wachstumsdepressionen, Fruchtminderung und frühzeitiger Blattfall. Nach aktuellem Forschungsstand ist eine kurative Behandlung der Krankheit nicht möglich. Die Krankheit ist zwar nicht neu, tritt aber, aufgrund von größerer Hitze und Trockenheit, vermehrt auf (1, 2). Ziel dieses Artikels ist es, auf Basis der aktuellen Forschungslage über Ursachen, Verbreitungswege und mögliche Strategien gegen den Birnenverfall zu informieren.
Ursachen und Erreger
Der Birnenverfall wird durch das Phytoplasma ‘‘Candidatus Phytoplasma pyri‘‘ verursacht, ein zellwandloses Bakterium, das im Phloem der Birnbäume lebt. Die Erreger sind im Sommer im gesamten Baum nachweisbar, im Winter ziehen sie sich in die Wurzeln zurück. Übertragen wird der Erreger durch phloemsaugende Insekten wie die Birnenblattsauger (“Cacopsylla pyri”, “C. pyrisuga”, “C. pyricola”) sowie durch infiziertes Veredelungsmaterial. Auch unsachgemäß desinfizierte Schnittwerkzeuge können die Krankheit weitergeben. Ein infizierter Birnbaum bleibt auf Dauer Träger des Erregers (1, 2,6).
Symptome
Der Verlauf kann schleichend über Jahre oder abrupt innerhalb einer Vegetationsperiode sein. Unterscheidungen bestehen zwischen langsamen und schnellen Krankheitsverläufen. Letztere führen innerhalb weniger Wochen zum Absterben der Bäume. Im Folgenden wird eine Übersicht über die Kennzeichen des langsamen Verlaufs gegeben (4). ‘‘‘Erste Anzeichen (Beginn der Krankheit)‘‘‘
- Junge Blätter verfärben sich rötlich bis bronzefarben, vor allem an den Triebspitzen.
- Neue Triebe wachsen langsamer als gewohnt, der Baum wirkt insgesamt geschwächt.
- Ältere Blätter zeigen eine leichte Gelbfärbung.
‘‘‘Krankheitsverlauf (fortgeschrittene Phase)‘‘‘
- Das Wachstum geht deutlich zurück, junge Triebe bleiben kurz und dünn.
- Die Früchte bleiben klein, reifen ungleichmäßig und bekommen oft eine harte, raue Schale.
- Blätter verlieren an Festigkeit und fallen schon früh vom Baum.
- Die Wurzeln entwickeln sich nicht richtig, wodurch der Baum schneller unter Trockenheit leidet.
‘‘‘Schwere Infektion (Spätstadium)‘‘‘
- Die Ernte bricht stark ein, manchmal um mehr als die Hälfte.
- Blätter fallen bereits im Spätsommer ab.
- An älteren Ästen können Rindenschäden auftreten, manchmal mit tiefen Rissen.
- Der Baum wird anfälliger für andere Krankheiten wie Feuerbrand oder Bakterienkrebs.
Diagnose
Die Diagnose erfolgt durch visuelle Überprüfung sowie durch molekularbiologische Nachweise mittels PCR-Tests. Aufgrund der unspezifischen Symptome wird die Erkrankung häufig mit Stresserscheinungen, beispielsweise nach Trockenheit oder Frost, verwechselt. Ein Nährstoffmangel, etwa an Magnesium oder Stickstoff, kann ebenfalls zu Blattverfärbungen führen. Im Gegensatz zum Birnenverfall geht er jedoch nicht mit Wachstumsdepressionen einher. Pilzinfektionen wie der Birnengitterrost sind gekennzeichnet durch auffällige orangefarbene Pusteln auf den Blättern, wohingegen beim Birnenverfall keine Flecken auftreten. Bakterielle Erkrankungen wie der Feuerbrand zeigen sich wiederum durch ein schwarzes, verbrannt wirkendes Aussehen der betroffenen Triebe (5).
Bekämpfung und Gegenmaßnahmen
Es gibt bislang keine wirksamen Pflanzenschutzmittel gegen den Birnenverfall. Daher ist es von größter Bedeutung, nur zertifizierte Birnbäume und Edelreiser zu kaufen, um das Phytoplasma nicht einzuschleppen. Zudem spielt die Bekämpfung der Überträger (Birnenblattsauger) eine relevante Rolle in der Bekämpfung! Letztlich kann die Anpflanzung von tolerant erscheinenden Sorten (s.u.) ausprobiert werden. Dazu liegen allerdings noch keine Langzeituntersuchungen vor. Sind Birnbäume von der Krankheit betroffen, können mechanische, biologische und baumpflegerische Maßnahmen ergriffen werden, die präventiv die weitere Ausbreitung verhindern:
- Mechanische Bekämpfung
Förderung gesunder Triebe durch geeignete Schnittmaßnahmen. Dabei sind die Werkzeuge stets zu desinfizieren.
- Biologische Kontrolle
Förderung von Antagonisten (Marienkäfern und Schwebfliegen) zur Reduzierung der übertragenden Insekten.
- Baumpflegerische Maßnahmen
Eine sorgfältige Bodenpflege und optimale Düngung tragen wesentlich dazu bei, die Widerstandskraft der Bäume zu erhöhen. Eine Überdüngung mit Stickstoff sollte dabei allerdings unbedingt vermieden werden, da dadurch vermehrt weiches Pflanzengewebe entsteht, das besonders anfällig für Virusinfektionen ist. Wichtig ist auch die regelmäßige Kontrolle der Birnbäume, damit mögliche Krankheitssymptome frühzeitig erkannt werden.
- Vermehrung
Edelreiser sollten im Januar und Februar geschnitten und Winterhandveredelungen durchgeführt werden. Die Belastung der Edelreiser durch Phytoplasmen ist zu diesem Zeitpunkt am geringsten (4).
Unterschiedliche Sortenanfälligkeit
Es gibt bislang keine wissenschaftliche Untersuchung zur unterschiedlichen Anfälligkeit von Birnensorten. Daher werden im Folgenden lediglich Beobachtungen einzelner Personen angeführt, die keinen Anspruch auf Allgemeingültigkeit erheben. Besonders anfällig für den Birnenverfall ist nach Angaben des Pomologen Roman Eisenring die ansonsten robuste und vitale SCHWEIZER WASSERBIRNE. Junge Bäume zeigen zunächst ein gutes Wachstum, ermüden jedoch schon nach wenigen Jahren, entwickeln zunehmend typische Krankheitssymptome und sterben schließlich ab. Auch ältere Bäume dieser Sorte schwächeln und gehen nach und nach ein. Zu den stark gefährdeten Sorten zählen zudem GIFFARDS BUTTERBIRNE sowie weitere vergleichbar empfindliche Varietäten (3). Viele andere Sorten gelten als mäßig anfällig: Sie zeigen Krankheitserscheinungen, sterben jedoch nicht vollständig ab. Die in den letzten Jahren häufiger auftretenden Hitze- und Trockenperioden verschärfen allerdings die Situation und führen in Kombination mit den Phytoplasmen auch bei diesen Sorten zu erheblichen Schäden (6). Als vergleichsweise tolerant gilt die KNOLLBIRNE. Allerdings erkranktauch diese Sorte, wenn sie auf Wasserbirnen-Unterlagen veredelt wurde. Mittlerweile entdecken Bewirtschaftende immer wieder Sorten, die vom Birnenverfall kaum betroffen sind oder zumindest eine gewisse Toleranz zeigen – darunter die OTTENBACHER SCHELLERBIRNE, die HASENBIRNE und die VELDENZER (1).
Phytoplasmenresistente Unterlagen
Eine Lösung des Problems des Birnenverfalls sind phytoplasmenresistente Unterlagen (7). Die neuen Unterlagen Virutherm 1 und Virutherm 2 zeigen sich hinsichtlich der Phytoplasmen-Toleranz vielversprechend (6). Allerdings wachsen sie rund 10 bis 20 Prozent schwächer als die Kirchensaller und treten früher in die Ertragsphase ein. Für den landschaftsprägenden Birnenhochstammanbau sind solche Unterlagen nach Einschätzung des Pomologen Roman Eisenring ungeeignet, da mit ihnen voraussichtlich keine wirklich großen, charakterprägenden Hochstammbäume entstehen (3). Die aktuell verfügbaren neuen Unterlagen eignen sich in erster Linie für den Tafelbirnenanbau. Aufgrund ihres vergleichsweisen schwachen Wachstums treten sie früher in Ertrag, unterscheiden sich aber deutlich von den robusteren Kirchensaller Sämlingen. Letztere gelten jedoch als besonders anfällig für den Birnenverfall.
Forschung und Perspektiven
Die aktuelle Forschung beschäftigt sich mit der Entwicklung resistenter Unterlagen, wie etwa der Virutherm-Unterlagen. Erste Versuchsergebnisse sind vielversprechend, jedoch sind langfristige Daten noch nicht ausreichend verfügbar. Im Rahmen mehrerer europäischer Projekte (z. B. des Julius-Kühn-Instituts, Fructus Schweiz, von Agroscope sowie von Obstbau-Versuchsstationen) werden gezielt Sorten-Unterlagen-Kombinationen getestet. Darüber hinaus wird die Züchtung toleranter Hochstammsorten vorangetrieben (2, 5,6).
Fazit
Der Birnenverfall bleibt eine komplexe Herausforderung im Birnenanbau. Nur durch ein Zusammenspiel von Forschung, Praxisbeobachtung und konsequenter Prävention kann der Fortbestand der Birnenkultur – insbesondere der ökologisch wertvollen Hochstämme – gesichert werden. Zentrale Bausteine sind dabei die Entwicklung resistenter Sorten und Unterlagen sowie ein flächendeckendes Monitoring.
Einzelnachweise
1. Schliebner, S., Decker, P., & Schlitt, M. (2023). Streuobstwiesen im Klimawandel: Ein Leitfaden. Görlitz/Ostritz. 2. Frick, C. (2023). Mit neuen Unterlagen gegen den Birnenverfall. Obst & Wein, 5(2023).https://www.fructus.ch/wp-content/uploads/obst-und-wein_05_2023_phytoplasma_birnen_frickc-1.pdf 3. Eisenring, R. (2024). Was hilft gegen den Birnenverfall? Schweizer Initiative sucht nach Lösungen. Hochstamm Deutschland. Abgerufen am 7. Oktober 2025, von https://www.hochstamm-deutschland.de/nachricht/was-hilft-gegen-den-birnenverfall-schweizer-initiative-sucht-nach-loesungen 4. Schaerer, S., & Bünter, M. (2013). Birnenverfall: Candidatus phytoplasma pyri (Pear decline). Baumpflege Schweiz. Abgerufen am 7. Oktober 2025, von https://baumpflege-schweiz.ch/wp-content/uploads/2018/05/birnenverfall.pdf 5. Lehr- und Versuchsanstalt Müncheberg. (2022). Projektbericht Sichtungsversuch Birnenunterlagen. Abgerufen am 7. Oktober 2025, von https://www.lvga-bb.de/versuchswesen/branko/ueber-branko-2-1 6. Petruschke, M. (2018). Virustestung, Virusfreimachung und Vermehrung von Vorstufen- und Basismaterial von Obstsorten. Landinfo, 4(2018). 7. Riedle-Bauer, M., Paleskić, C., Schönhuber, C., Staples, M., & Brader, G. (2022). Vector transmission and epidemiology of ‘Candidatus Phytoplasma pyri’ in Austria and identification of Cacopsylla pyrisuga as new pathogen vector. Journal of Plant Diseases and Protection, 129(2), 375–386. https://doi.org/10.1007/s41348-021-00526-y 8. Seemüller, E., Moll, E., & Schneider, B. (2009). Pear decline resistance in progenies of Pyrus taxa used as rootstocks. European Journal of Plant Pathology, 123(2), 217–223. https://doi.org/10.1007/s10658-008-9360-8