Kirschessigfliege: Unterschied zwischen den Versionen

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''Drosophila suzukii'' stammt ursprünglich aus Südostasien und wurde erstmals um 2008 in Europa (Spanien, Italien) und den USA nachgewiesen. Seitdem hat sie sich nahezu auf dem gesamten europäischen Kontinent etabliert. Auch in Mitteleuropa – einschließlich Deutschland, Österreich und der Schweiz – ist sie inzwischen weit verbreitet. Besonders betroffen sind Regionen mit intensiver Beeren-, Kirsch- und Zwetschkenproduktion, aber auch Streuobstbestände.
''Drosophila suzukii'' stammt ursprünglich aus Südostasien und wurde erstmals um 2008 in Europa (Spanien, Italien) und den USA nachgewiesen. Seitdem hat sie sich nahezu auf dem gesamten europäischen Kontinent etabliert. Auch in Mitteleuropa – einschließlich Deutschland, Österreich und der Schweiz – ist sie inzwischen weit verbreitet. Besonders betroffen sind Regionen mit intensiver Beeren-, Kirsch- und Zwetschkenproduktion, aber auch Streuobstbestände.
=== Biologie und Lebenszyklus ===  
=== Biologie und Lebenszyklus ===  
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|right|Puppe der Kirschessigfliege kurz vor Schlupf]]
|right|Puppe der Kirschessigfliege kurz vor Schlupf]]
''Drosophila suzukii'' durchläuft einen vollständigen Entwicklungszyklus: Ei, drei Larvenstadien, Puppe und schließlich das erwachsene Insekt (Imago). Die Weibchen besitzen eine sägeartige Legeröhre, mit der sie ihre Eier in die Haut gesunder, reifender Früchte einbringen<ref name="Beers2011">Beers, E. H. et al. (2011). ''Developing Drosophila suzukii management programs for sweet cherry in the western United States''. Pest Management Science 67(11): 1386–1392.  [https://doi.org/10.1002/ps.2279 https://doi.org/10.1002/ps.2279].</ref>. Dort entwickeln sich die Larven, die das Fruchtfleisch zerstören und den Fruchtverfall beschleunigen.
''Drosophila suzukii'' durchläuft einen vollständigen Entwicklungszyklus: Ei, drei Larvenstadien, Puppe und schließlich das erwachsene Insekt (Imago). Die Weibchen besitzen eine sägeartige Legeröhre, mit der sie ihre Eier in die Haut gesunder, reifender Früchte einbringen<ref name="Beers2011">Beers, E. H. et al. (2011). ''Developing Drosophila suzukii management programs for sweet cherry in the western United States''. Pest Management Science 67(11): 1386–1392.  [https://doi.org/10.1002/ps.2279 https://doi.org/10.1002/ps.2279].</ref>. Dort entwickeln sich die Larven, die das Fruchtfleisch zerstören und den Fruchtverfall beschleunigen.
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=== Befallsmerkmale und Schadbild ===  
=== Befallsmerkmale und Schadbild ===  
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|right|Stark befallene Kirsche durch Larven der Kirschessigfliege]]
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''Drosophila suzukii'' kann eine Vielzahl von Früchten befallen. Dazu zählen Kirschen, Himbeeren, Brombeeren, Heidelbeeren, Erdbeeren, Aprikosen (Marillen), Zwetschken, Pflaumen, Holunderbeeren und Tafeltrauben. Auch Exoten wie Feigen und teilweise sogar Tomaten und Kiwi können betroffen sein. Besonders anfällig sind dünnschalige und weichfleischige Früchte.
''Drosophila suzukii'' kann eine Vielzahl von Früchten befallen. Dazu zählen Kirschen, Himbeeren, Brombeeren, Heidelbeeren, Erdbeeren, Aprikosen (Marillen), Zwetschken, Pflaumen, Holunderbeeren und Tafeltrauben. Auch Exoten wie Feigen und teilweise sogar Tomaten und Kiwi können betroffen sein. Besonders anfällig sind dünnschalige und weichfleischige Früchte.

Version vom 28. November 2025, 14:15 Uhr

Kirschessigfliege (Drosophila suzukii)

Einleitung

Männliche Kirschessigfliege

Die Kirschessigfliege (Drosophila suzukii) ist ein invasiver Schädling, der ursprünglich aus Südostasien stammt und sich seit den späten 2000er Jahren rasant in Europa und Nordamerika ausgebreitet hat. Im Gegensatz zu anderen Essigfliegenarten legt D. suzukii ihre Eier nicht in überreifes oder beschädigtes Obst, sondern in gesunde, reifende Früchte. Dies führt zu erheblichem wirtschaftlichem Schaden, insbesondere im Obstbau[1]. In Streuobstwiesen wird die Art zunehmend als problematisch wahrgenommen, da dort ein gezieltes Monitoring und Bekämpfungsmaßnahmen oft nur eingeschränkt möglich sind.

Taxonomie / Systematik

  • Reich: Animalia (Tiere)
  • Stamm: Arthropoda (Gliederfüßer)
  • Klasse: Insecta (Insekten)
  • Ordnung: Diptera (Zweiflügler)
  • Familie: Drosophilidae (Taufliegen)
  • Gattung: Drosophila
  • Art: Drosophila suzukii

Verbreitung

Drosophila suzukii stammt ursprünglich aus Südostasien und wurde erstmals um 2008 in Europa (Spanien, Italien) und den USA nachgewiesen. Seitdem hat sie sich nahezu auf dem gesamten europäischen Kontinent etabliert. Auch in Mitteleuropa – einschließlich Deutschland, Österreich und der Schweiz – ist sie inzwischen weit verbreitet. Besonders betroffen sind Regionen mit intensiver Beeren-, Kirsch- und Zwetschkenproduktion, aber auch Streuobstbestände.

Biologie und Lebenszyklus

Puppe der Kirschessigfliege kurz vor Schlupf

Drosophila suzukii durchläuft einen vollständigen Entwicklungszyklus: Ei, drei Larvenstadien, Puppe und schließlich das erwachsene Insekt (Imago). Die Weibchen besitzen eine sägeartige Legeröhre, mit der sie ihre Eier in die Haut gesunder, reifender Früchte einbringen[2]. Dort entwickeln sich die Larven, die das Fruchtfleisch zerstören und den Fruchtverfall beschleunigen.

Gezähnter Legebohrer einer weiblichen Kirschessigfliege

Die Fliegen sind sehr vermehrungsfreudig: Unter günstigen Bedingungen (etwa 20–25 °C) können sich bis zu 10–15 Generationen pro Jahr entwickeln. Die Überwinterung erfolgt überwiegend in Form befruchteter Weibchen, die sich in geschützten Bereichen wie Laubstreu, Rindenritzen, Waldrändern oder Gebäuden zurückziehen. Während der kalten Jahreszeit reduziert sich ihre Stoffwechselaktivität deutlich. In klimatisch milderen Regionen können auch adulte Tiere längere Kälteperioden überstehen. Mit zunehmenden Tagestemperaturen im Frühjahr werden die Fliegen erneut aktiv und beginnen mit der Eiablage, wodurch frühreifende Wirtspflanzen bereits im späten Frühjahr befallen werden können[3].

Befallsmerkmale und Schadbild

Stark befallene Kirsche durch Larven der Kirschessigfliege

Drosophila suzukii kann eine Vielzahl von Früchten befallen. Dazu zählen Kirschen, Himbeeren, Brombeeren, Heidelbeeren, Erdbeeren, Aprikosen (Marillen), Zwetschken, Pflaumen, Holunderbeeren und Tafeltrauben. Auch Exoten wie Feigen und teilweise sogar Tomaten und Kiwi können betroffen sein. Besonders anfällig sind dünnschalige und weichfleischige Früchte. Befallene Früchte zeigen kleine Einstichstellen, aus denen häufig Saft austritt. Später treten weiche Stellen, Verfärbungen und Schrumpfungen auf, teils begleitet von Sekundärinfektionen durch Mikroorganismen. Aufgrund der Zero-Tolerance-Richtlinien für lebende Larven im Handel sind solche Früchte meist nicht mehr vermarktungsfähig. Besonders anfällig sind dünnschalige Früchte wie Kirschen, Himbeeren, Brombeeren, aber auch Zwetschken, Holunder und Tafeltrauben.

Bedeutung für Streuobstwiesen

Streuobstwiesen bieten aufgrund ihres Strukturreichtums und der Vielzahl an Fruchtarten ein ideales Habitat für D. suzukii. Die Vielzahl möglicher Wirtspflanzen, eine zeitlich gestaffelte Reifung sowie der Verzicht auf Pflanzenschutzmittel fördern die Etablierung stabiler Populationen. Zwar ist der wirtschaftliche Druck in extensiven Anlagen geringer als im Erwerbsobstbau, doch kann der Befall lokale Erträge und die Qualität deutlich mindern, insbesondere bei weichfleischigen Obstarten wie Kirschen und Zwetschken.

Monitoring und Befallsprognose

Zur Überwachung des Fluggeschehens werden in der Praxis meist Lockstofffallen eingesetzt, oft befüllt mit Apfelessig, Rotwein oder industriell hergestellten Locklösungen. Diese dienen der Früherkennung, erlauben aber nur eine grobe Einschätzung der Populationsdichte. Das Monitoring ist ein zentrales Element zur Entscheidungshilfe im integrierten Pflanzenschutz[4].

Bekämpfung und Management

Vorbeugende Maßnahmen

Wichtige kulturtechnische Maßnahmen umfassen eine rasche und vollständige Ernte, die Entfernung von Fallobst sowie das regelmäßige Mähen der Unterwuchsvegetation[5]. Besonders in Streuobstwiesen mit spätreifenden Sorten ist eine enge Kontrolle entscheidend, um Populationsanstiege zu begrenzen.

Physikalische Maßnahmen

Der Einsatz von Insektenschutznetzen kann die Eiablage effektiv verhindern, ist jedoch in hochstämmigen Streuobstwiesen meist nicht praktikabel. Kühlhaltung nach der Ernte hemmt die Larvenentwicklung, eignet sich aber eher für den professionellen Vertriebsweg. In Versuchen von Krutzler et al. [5] zeigten einige physikalische Verfahren – etwa der Einsatz von Kaolin oder partikelbasierte Barrieren – zusätzliche Effekte in Kombination mit anderen Maßnahmen, wenngleich sie im Streuobstbereich aufgrund des Aufwands nur eingeschränkt umsetzbar sind.

Biologische Maßnahmen

Antagonisten wie parasitoide Wespen oder entomopathogene Pilze werden erforscht, zeigen bislang aber nur eingeschränkte Wirksamkeit im Freiland. Auch pflanzliche Extrakte und Repellentien werden erprobt. Derzeit gibt es keine standardisierte biologische Kontrolle mit ausreichend hoher Effizienz[5].

Chemische Maßnahmen

In einigen EU-Staaten sind Spinosad, Pyrethrine oder Cyantraniliprol zur Bekämpfung zugelassen. Ihre Anwendung muss streng nach Wartezeiten und Zulassungsvorgaben erfolgen. Im Bio-Anbau sind die Möglichkeiten eingeschränkt, insbesondere wegen Rückstandsproblemen und Wirkungslücken[6].

Integrierte Strategien

Ein wirksames Management basiert auf einem integrativen Ansatz: Kombination von Monitoring, Hygienemaßnahmen, gegebenenfalls physikalischem Schutz, frühzeitiger Ernte und – wo erlaubt – gezieltem Insektizideinsatz. Das Zusammenspiel dieser Komponenten reduziert den Selektionsdruck auf Einzelmaßnahmen und erhöht die Resilienz des Systems.

Forschung und Entwicklung

Aktuelle Forschung untersucht unter anderem das Verhalten der Fliegen unter verschiedenen klimatischen Bedingungen, die Rolle von Wildpflanzen als Reservoir, sowie neue Lockstoffe zur Verbesserung des Monitorings. Weitere Schwerpunkte sind die Entwicklung biologischer Kontrollmethoden, genetische Analysen zur Herkunft und Ausbreitung sowie sozioökonomische Auswirkungen der Bekämpfungsmaßnahmen auf Betriebe.

Einzelnachweise

  1. Knapp, L. et al. (2020). The economic impact of Drosophila suzukii. Pest Management Science 76(5): 1640–1647. https://doi.org/10.1002/ps.6110.
  2. Beers, E. H. et al. (2011). Developing Drosophila suzukii management programs for sweet cherry in the western United States. Pest Management Science 67(11): 1386–1392. https://doi.org/10.1002/ps.2279.
  3. Tochen, S. et al. (2014). Temperature-Related Development and Population Parameters for Drosophila suzukii on Cherry and Blueberry. Environmental Entomology 43(2): 501–510. https://doi.org/10.1603/EN13200.
  4. Vogt, H. (2020). Kirschessigfliege: Ergebnisse aus Monitoring und Forschung. Biologie in unserer Zeit 50(1): 50–57. https://doi.org/10.1002/biuz.202010710.
  5. 5,0 5,1 5,2 Krutzler, M. et al. (2022). Efficacy evaluation of alternative pest control products against Drosophila suzukii in Austrian elderberry orchards. Crop Protection 158: 105898. https://doi.org/10.1007/s41348-022-00598-4.
  6. Haviland, D. R. & Beers, E. H. (2012). Chemical control programs for Drosophila suzukii that comply with international limitations on pesticide residues. Journal of Integrated Pest Management 3(2). https://doi.org/10.1603/IPM11034.