Klimaangepasste Pflanztechniken: Unterschied zwischen den Versionen

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Version vom 3. November 2025, 16:51 Uhr

Einleitung

Streuobstwiesen prägen seit Jahrhunderten die Kulturlandschaft im deutschsprachigen Raum und darüber hinaus. Doch ihre Zukunft ist angesichts stetig steigender Temperaturen, veränderter Niederschlagsmuster und zunehmender Wetterextreme in Kombination mit sozio-ökonomischen Änderungen bedroht. Wie können Bewirtschafterinnen und Bewirtschafter diesen Herausforderungen begegnen? Die Studie “Klimawandelanpassung im Streuobst - Potenzialstudie für klimaresiliente Bewirtschaftungssysteme und Erprobung alternativer Baumarten und Anbausysteme” (1) nennt konkrete Stellschrauben und präsentiert innovative Anbausysteme sowie praxistaugliche Empfehlungen.

Die o.g. Studie identifizierte ‘‘‘drei Stellschrauben‘‘‘: (a) die mikroklimatische Stabilität in den Streuobstbeständen verbessern, (b) die Bodenqualität durch Humusaufbau und Förderung der Bodenorganismen fördern, um dadurch (c) die Nährstoff- und Wasserverfügbarkeit sowie die Wasserinfiltration zu erhöhen. Zur Erreichung der Ziele können die folgenden strukturellen Maßnahmen gesetzt werden:

Windschutzhecken

Hohe Lufttemperaturen, starke Sonneneinstrahlung, geringe Luftfeuchtigkeit und Wind begünstigen die Verdunstung an Boden- und Blattoberflächen, wodurch die Pflanzen vermehrt Wasser verlieren. Ist aufgrund sommerlicher Trockenheit kaum noch Wasser im Boden verfügbar, geraten viele Pflanzen in Wasserstress. Ziel ist es, durch verdichtete Pflanzmethoden Windgeschwindigkeiten zu reduzieren und damit die Luftfeuchtigkeit in Bodennähe zu erhöhen sowie Verdunstungen an den Blättern zu reduzieren. Zentrale Elemente, mit denen Windgeschwindigkeiten reduziert werden können, sind Windschutzhecken, die durch Reduktion der Luftbewegung die Bildung von Tauwasser fördern, das in den Boden versickert und so die Wasserverfügbarkeit für die Pflanzen erhöht (2). Mit dieser besseren Wasserverfügbarkeit steigt die Fotosyntheseleistung, wodurch je nach Kultursorte bis zu 30% höhere Erträge erzielt werden können (3; 4). In Mulden und Senken bieten Hecken Schutz vor zuströmender Kaltluft und damit verbundenem Windfrost für die angebauten Kultursorten. Da Kaltluft als schwerfällige Masse hangabwärts fließt, sollte sie durch gezielte Pflanzung von Hecken um die Kultursorten herumgeleitet werden (5; 6). Hierbei erfolgt die Pflanzung der Heckenstruktur vom höchsten topographischen Punkt aus schräg hangabwärts. Neben den positiven mikroklimatischen Effekten tragen Hecken auch zur Verbesserung der Bodenstruktur bei. Dies geschieht durch die Humusbildung infolge des Laubabfalls sowie durch tiefwurzelnde oder stickstofffixierende Pflanzen, die oft in Hecken bestandsbildend sind (7).

Schattenbäume (Überhälter)

Schattenbäume oder auch Überhälter genannt, spielen eine wichtige Rolle in der Stabilisierung mikroklimatischer Gegebenheiten, indem sie die Temperatur regulieren und Schutz vor intensiver Sonneneinstrahlung bieten. Überhälter überragen die durchschnittlichen Baumhöhen im Bestand. Mit ihrer ausladenden Krone beschatten sie große Bereiche, wodurch die Umgebungstemperatur gesenkt und die Luftfeuchtigkeit erhöht wird. Dadurch entstehen angenehme Temperaturen für die Kultursorten in der darunter liegenden Schicht. Zudem tragen Schattenbäume zur Stabilisierung des Bodens bei, verhindern Erosion durch ihr tiefreichendes Wurzelwerk und wirken als Windschutz. Insgesamt verbessern Schattenbäume die ökologische Vielfalt und das Klima innerhalb der Streuobstflächen, was deren Resilienz gegenüber klimatischen Extrembedingungen stärkt. Mögliche Baumarten, die als Schattenbaum angepflanzt werden können sind Maulbeeren (“Morus” spec.), Esskastanien (“Castanea sativa”) und Walnüsse (“Juglans regia”).

Komplexe Fruchtanbausysteme

Eine weitere Möglichkeit ist die Pflanzung in komplexen Fruchtanbausystemen im Streuobstbau. Dies sind entweder lineare (in einer Baumreihe) oder flächige (Obst-Waldgarten) mehrschichtige Pflanzsysteme, die verschiedene Obstsorten und Vegetationsschichten kombinieren. Diese Systeme steigern die Ressourceneffizienz durch optimale Nutzung von Licht, Wasser und Nährstoffen innerhalb der verschiedenen Ebenen. Die mehrstufigen Strukturen tragen zur Biodiversität bei, verbessern das Mikroklima und erhöhen die Resilienz gegenüber klimatischen Belastungen. Die Gestaltung komplexer Fruchtanbausysteme orientiert sich an natürlichen Waldstrukturen und beinhaltet abgestufte Pflanzhöhen und -dichten, um Synergien zwischen den Arten zu fördern und ökologische Funktionen zu stärken.

Humusaufbau und Bodenpflege

Eine hohe Wasserinfiltrationsrate ermöglicht es, Niederschläge schnell im Boden aufzunehmen und damit vor Verdunstung sowie einem erhöhten Oberflächenabfluss nach Starkniederschlagsereignissen zu schützen. Besonders humusreiche, gut strukturierte Böden können größere Wasser- und Nährstoffmengen speichern und so länger für die Pflanzen verfügbar machen. Zentraler Bestandteil im Bereich Humus aufbauender Maßnahmen ist die kontinuierliche Einbringung von organischem Material, bspw. durch Mulch. Aber auch Bodenbelüftung in Kombination mit einer Gabe von Effektiven Mikroorganismen fördert das Bodenleben und damit die Humusbildung.

Verbesserung der Nährstoffverfügbarkeit

Neben Kühlungs- und Fotosyntheseprozessen ist die Wasserverfügbarkeit im Boden eng an die Nährstoffverfügbarkeit gekoppelt. Essentielle Nährstoffe wie Stickstoff, Phosphor und Kalium sind Voraussetzung für ein gesundes Pflanzenwachstum. Aber auch die Anwesenheit weiterer Nährstoffe ist für eine gute Pflanzenversorgung entscheidend. Zu ihnen zählen Wasserstoff, Magnesium, Kalium, Calcium, Molybdän, Mangan, Eisen, Kupfer, Zink, Kohlenstoff, Stickstoff, Sauerstoff, Phosphor, Schwefel, Chlorid, Bor und Nickel (8). Bevor es ans Pflanzen und ans Düngen geht, sollte eine Bodenanalyse durchgeführt werden. Das gilt insbesondere auf neuen, unbekannten Flächen und vor allem auf schwachen, ausgemagerten Standorten. Hier sind vor allem der Boden pH-Wert und die aktuelle Nährstoffverfügbarkeit wichtig. Bei Nährstoffmangel erfolgt eine Düngemittelgabe im Kronentrauf. Dieser liegt im äußeren Radius der Baumkrone. Hier können im zeitigen Frühjahr vor dem Blütenaustrieb Hornmehl, Hornspänen oder Guano in den Boden eingebracht werden. Für Jungbäume können 150-200 g organischer Volldünger pro ca. 2 m2 um die Bäume oder alternativ 150 g Hornmehl + 2 kg Stallmist / Kompost eingebracht werden. Für Altbäume können 5-10 kg organischer Volldünger im Bereich des Kronentraufs (50 m2) oder alternativ 2 kg Hornmehl + 100 kg Stallmist / Kompost eingebracht werden (9). Langfristig sollte die oberste Priorität die Rückfuhr zuvor entzogener Nährstoffe sein. Nährstoffe gehen den Streuobstwiesen vor allem durch den Abtransport von Grün- und Baumschnitt sowie - in geringerem Umfang - der Ernte von Obst verloren. Diese können in Form von kompostiertem Trester, Pflanzenkohle, Häckselgut, Mist, abgelagerter Kompost oder Mulch zurückgeführt werden (10).

Einzelnachweise

1. Maringer, J., Radtke, M., & Schulz, C. (2025). Klimawandelanpassung im Streuobst: Potentialstudie für klimaresiliente Bewirtschaftungssysteme und Erprobung alternativer Baumarten und Anbausysteme. Endbericht. Ministerium für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg. Abgerufen am 2. Oktober 2025, von https://streuobst.landwirtschaft-bw.de/site/pbs-bw-rebrush2024/get/documents_E-1833207081/MLR.LEL/Streuobst/Endbericht_Final_Juni_2025.pdf

2. Kranz, V., & Deemter, F. (2021). Praxisbuch Waldgarten: Natürlicher Anbau mit Permakultur (1. Aufl.). Haupt Verlag. 3. Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft. (2005). Hecken, Feldgehölze und Feldraine in der landwirtschaftlichen Flur. Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft. 4. Crawford, M. (2024). Einen Waldgarten erschaffen: Mit der Natur arbeiten, um essbare Pflanzen anzubauen (2. Aufl.). OLV Organischer Landbau. 5. Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft. (2005). Hecken, Feldgehölze und Feldraine in der landwirtschaftlichen Flur. Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft. 6. Bastide, I., Vinet, M., Vinet, B., & Wyss, D. (2020). Agroforst im Weinbau: Ein Schritt zur Resilienz. Abgerufen am 6. Oktober 2025, von https://www.delinat.com/delinat-methode/agroforst.html 7. Crawford, M. (2024): Einen Waldgarten erschaffen: Mit der Natur arbeiten, um essbare Pflanzen anzubauen (2. Aufl.). OLV Organischer Landbau. 8. Hügel, S. (2023). Die Mineralienwende: Wie Mineralien uns und die Welt retten. Eigenverlag Institut für Mineralien-Kreislaufforschung. 9. Roos, B. (2023). Nährstoffversorgung im Streuobstanbau. Bayrische Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau. 10. Montanaro, G., Nuzzo, V., Xiloyannis, C., & Dichio, B. (2018). Climate change mitigation and adaptation in agriculture: The case of the olive. Journal of Water and Climate Change, 9(4), 633–642. https://doi.org/10.2166/wcc.2018.023