Technische Ansätze zur Bewältigung des Klimawandels im Streuobstanbau: Unterschied zwischen den Versionen
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Für Landwirtschaftsbetriebe, Privatpersonen oder Vereine mit Streuobstflächen über etwa einem Hektar Größe und geringer Hangneigung könnten sich die rechtlichen Rahmenbedingungen für Förderungen und Investitionen im Bereich Agri-PV in den kommenden Jahren verbessern. Eine kontinuierliche Beobachtung dieser Entwicklungen ist daher empfehlenswert. | Für Landwirtschaftsbetriebe, Privatpersonen oder Vereine mit Streuobstflächen über etwa einem Hektar Größe und geringer Hangneigung könnten sich die rechtlichen Rahmenbedingungen für Förderungen und Investitionen im Bereich Agri-PV in den kommenden Jahren verbessern. Eine kontinuierliche Beobachtung dieser Entwicklungen ist daher empfehlenswert. | ||
[[Datei:20220528 152747.jpg|thumb|Obstbau unter Photovoltaikanlagen. Quelle: Stefan Schliebner]] | [[Datei:20220528 152747.jpg|thumb|upright=2.5|center|Obstbau unter Photovoltaikanlagen. Quelle: Stefan Schliebner]] | ||
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Ein vergleichbarer Ansatz könnte auch für Streuobstbestände wertvolle Informationen liefern. Durch die '''Analyse von Tierstimmen und Klanglandschaften''' ließen sich ökologische Zusammenhänge besser verstehen und Veränderungen des Bestandszustands frühzeitig erkennen. Verschlechtert sich die Gesundheit der Bäume, so dürfte sich dies in der Artenzusammensetzung und im Verhalten der lautgebenden Tierarten widerspiegeln. | Ein vergleichbarer Ansatz könnte auch für Streuobstbestände wertvolle Informationen liefern. Durch die '''Analyse von Tierstimmen und Klanglandschaften''' ließen sich ökologische Zusammenhänge besser verstehen und Veränderungen des Bestandszustands frühzeitig erkennen. Verschlechtert sich die Gesundheit der Bäume, so dürfte sich dies in der Artenzusammensetzung und im Verhalten der lautgebenden Tierarten widerspiegeln. | ||
[[Datei:Mit-Kontaktmikrofon-instrumentierter-Obstbaum.jpg|thumb|Obstbaum mit Kontaktmikrofon Copyright / Quellenangabe: © Fraunhofer IKTS]] | [[Datei:Mit-Kontaktmikrofon-instrumentierter-Obstbaum.jpg|thumb|upright=2.5|center|Obstbaum mit Kontaktmikrofon Copyright / Quellenangabe: © Fraunhofer IKTS]] | ||
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Im Projekt '''WaKieBY''' der Bayerischen Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft (11a) kommt moderne Drohnen- und Sensortechnik zum Einsatz. Die Probenentnahme erfolgt über einen ferngesteuerten Greifarm, der einen Ast fixiert, während ein integriertes Schnittwerkzeug ihn abschneidet. Anschließend bringt die Drohne die Probe gezielt zu Boden. | Im Projekt '''WaKieBY''' der Bayerischen Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft (11a) kommt moderne Drohnen- und Sensortechnik zum Einsatz. Die Probenentnahme erfolgt über einen ferngesteuerten Greifarm, der einen Ast fixiert, während ein integriertes Schnittwerkzeug ihn abschneidet. Anschließend bringt die Drohne die Probe gezielt zu Boden. | ||
[[Datei:240423 Andreas Mueller AWG 0063.jpg |thumb|Drohne im Flug mit Werkzeug zur Probenentnahme Copyright / Quellenangabe: Andreas Müller]] | [[Datei:240423 Andreas Mueller AWG 0063.jpg |thumb|upright=2.5|center|Drohne im Flug mit Werkzeug zur Probenentnahme Copyright / Quellenangabe: Andreas Müller]] | ||
[[Datei:240423 Andreas Mueller AWG 0067.jpg |thumb|Drohne im Flug mit entnommener Astprobe Copyright / Quellenangabe: Andreas Müller]] | |||
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Ein visionärer Ansatz besteht darin, ein Drohnensystem zu entwickeln, das Misteln zunächst autonom detektiert und anschließend mechanisch entfernt. Mithilfe eines rotierenden Werkzeugkopfes könnten größere Misteln – insbesondere an hohen, schwer zugänglichen Bäumen wie Pappeln – regelmäßig reduziert werden. Eine Anwendung im dreijährigen Zyklus während der laubfreien Zeit, bevor sich Beeren bilden, könnte die Verbreitung verlangsamen und befallene Bäume teilweise entlasten. | Ein visionärer Ansatz besteht darin, ein Drohnensystem zu entwickeln, das Misteln zunächst autonom detektiert und anschließend mechanisch entfernt. Mithilfe eines rotierenden Werkzeugkopfes könnten größere Misteln – insbesondere an hohen, schwer zugänglichen Bäumen wie Pappeln – regelmäßig reduziert werden. Eine Anwendung im dreijährigen Zyklus während der laubfreien Zeit, bevor sich Beeren bilden, könnte die Verbreitung verlangsamen und befallene Bäume teilweise entlasten. | ||
Zwar ließe sich ein vollständiger Befall nicht verhindern, doch wäre die Methode deutlich zeitsparender als manuelle Verfahren und würde auch schwer erreichbare Standorte abdecken. | Zwar ließe sich ein vollständiger Befall nicht verhindern, doch wäre die Methode deutlich zeitsparender als manuelle Verfahren und würde auch schwer erreichbare Standorte abdecken. | ||
[[Datei:2024 09 19lwf0073 .jpg|thumb|Drohne mit Schnittwerkzeug und Greifarm Copyright / Quellenangabe: Bayerische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft (LWF)]] | [[Datei:2024 09 19lwf0073 .jpg|thumb|upright=2.5|center|Drohne mit Schnittwerkzeug und Greifarm Copyright / Quellenangabe: Bayerische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft (LWF)]] | ||
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Auch wenn dieses System keine professionelle Baumpflege ersetzen kann, bietet es didaktisches Potenzial, etwa für die Schulung und Weiterentwicklung von Schnitttechniken im Obstbau. | Auch wenn dieses System keine professionelle Baumpflege ersetzen kann, bietet es didaktisches Potenzial, etwa für die Schulung und Weiterentwicklung von Schnitttechniken im Obstbau. | ||
[[Datei:Kirebschnitt bild 04.png|thumb|Mittels Augmented Reality werden Vorschläge zum Rebschnitt bei einer Datenbrille eingeblendet. Quelle / Copyright: OG KI-Rebschnitt, 2021, https://ki-rebschnitt.de]] | [[Datei:Kirebschnitt bild 04.png|thumb|upright=2.5|center|Mittels Augmented Reality werden Vorschläge zum Rebschnitt bei einer Datenbrille eingeblendet. Quelle / Copyright: OG KI-Rebschnitt, 2021, https://ki-rebschnitt.de]] | ||
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Bislang existieren jedoch keine speziell für die Streuobstpflege entwickelten Robotersysteme. Ein wesentlicher Grund dürfte in den begrenzten wirtschaftlichen Anreizen liegen, da Streuobstsysteme im Vergleich zu intensiven Anbauformen über keine finanzstarke Lobby verfügen. | Bislang existieren jedoch keine speziell für die Streuobstpflege entwickelten Robotersysteme. Ein wesentlicher Grund dürfte in den begrenzten wirtschaftlichen Anreizen liegen, da Streuobstsysteme im Vergleich zu intensiven Anbauformen über keine finanzstarke Lobby verfügen. | ||
[[Datei:Avocado-v2-1.JPG|thumb|Kletterroboter mit zwei integrierten Propellern in Gehäuse, in einem Baum hängend. Copyright / Quelle: Environmental Robotics Lab / ETH Zürich – Steffen Kirchgeorg]] | [[Datei:Avocado-v2-1.JPG|thumb|upright=2.5|center|Kletterroboter mit zwei integrierten Propellern in Gehäuse, in einem Baum hängend. Copyright / Quelle: Environmental Robotics Lab / ETH Zürich – Steffen Kirchgeorg]] | ||
Aktuelle Version vom 25. November 2025, 04:33 Uhr
Technische Ansätze zur Bewältigung des Klimawandels im Streuobstanbau
Neben klassischen Maßnahmen wie angepasster Standort- und Sortenwahl und Pflegepraktiken kommen heute zunehmend digitale, sensorische und robotische Technologien zum Einsatz. Diese sollen helfen, Wasser effizienter zu nutzen, Baumbestände besser zu überwachen, Erträge zu stabilisieren und die Biodiversität zu fördern. Der folgende Artikel gibt einen Überblick über aktuelle technische Entwicklungen und Forschungsansätze, die zur Anpassung des Streuobstbaus an den Klimawandel beitragen – von Bewässerungs- und Schutzsystemen über Drohnen- und Robotikeinsatz bis hin zu digitalen Zwillingen und akustischen Monitoringverfahren.
Tröpfchenbewässerung
Tröpfchenbewässerung kann ein geeignetes Mittel zum Erhalt kleinflächiger, ökologisch wertvoller Streuobstbestände sein – insbesondere, wenn es um gefährdete oder traditionelle Sorten geht. Wird sie jedoch großflächig eingesetzt, ist ihre Nachhaltigkeit kritisch zu hinterfragen: Die dafür notwendige Wasserentnahme wirkt sich fast immer in irgendeiner Form negativ auf den Grundwasserspiegel oder den Wasserstand angrenzender Gewässer aus. Am Nordharzrand, im Bereich Osterholz/Langenstein, befindet sich eine rund 2 ha große Streuobstanlage mit 192 Jungbäumen und 16 Altbäumen. Das benötigte Wasser wird über einen 40 m tiefen Tiefbrunnen entnommen und durch ein etwa 3,4 km langes, unterirdisch verlegtes Leitungssystem verteilt: Die Hauptleitungen verlaufen in etwa 120 cm Tiefe, die Nebenleitungen in rund 20 cm Tiefe. Die Bewässerung erfolgt über ein Tropfbewässerungssystem der Firma Netafim™, ausgestattet mit jeweils zwei bis drei Tropfern pro Baum (Tropfertypen Junior™ CNL und PC-CNL, Durchflussmenge 2 l/h). Die Planung der Anlage wurde von der Firma Koerner aus Lachendorf durchgeführt (1, 2). Für eine effiziente Wassernutzung ist eine Einbautiefe der Tropfer von mindestens 20 cm entscheidend, damit das Wasser gezielt im Wurzelbereich der Obstbäume aufgenommen wird. Auf der Streuobstwiese Malenter Au in Schleswig-Holstein wurde auf einer Fläche von rund 1,3 ha mit insgesamt 130 Bäumen eine halbautomatische Bewässerungsanlage mit Tropfschläuchen und Ventilen installiert. Das Wasser wird von einer Brunnenpumpe aus etwa 2 m Tiefe gefördert. Zur Wasserverteilung wurden Gräben ausgehoben und insgesamt rund 1,3 km Wasserleitungen verlegt. Die Hauptleitungen verlaufen in Gräben quer zur Fläche, während die kleineren Tropfleitungen (System Netafim™) direkt an den Bäumen auf der Wiese liegen.
Als Alternative zu den Tropfschläuchen von Netafim™ können Bubbler-Düsen, beispielsweise von der Firma Hunter®, eingesetzt werden. Einsparpotenziale hinsichtlich des Energiebedarfs bestehen vor allem bei den eingesetzten Pumpen und Generatoren (3). Eine Übersicht zu Bezugsquellen von Bewässerungssystemen bietet Schonschek (2023).
Schutz- und Energienutzungssysteme
Im rheinland-pfälzischen Gelsdorf befindet sich eine Versuchsanlage des Forschungsprojekts APV-Obstbau (4). Auf dieser Streuobstanlage mit Äpfeln und Spalierobst werden verschiedene Schutz- und Energienutzungssysteme miteinander verglichen:
- Folienschutz (nicht regendurchlässig),
- Hagelschutznetze (regendurchlässig),
- Agri-PV-Systeme mit fest installierten, lichtdurchlässigen Photovoltaik-Modulen (nicht regendurchlässig) sowie
- nachgeführte PV-Module, die bei Bedarf regendurchlässig eingestellt werden können.
Ziel der Untersuchungen ist es, die Wirkung der unterschiedlichen Systeme auf Pflanzen und Früchte zu erfassen – insbesondere im Hinblick auf den Schutz vor Hagel, Starkregen, Sonnenbrand, Frost und extremen Temperaturen.
Ähnliche Pilotanlagen wurden 2022 im Rahmen des Projekts Modellregion Agri-Photovoltaik Baden-Württemberg errichtet, mit einem Schwerpunkt auf Kern- und Beerenobst (5). Je nach technischer Ausführung können transparente Photovoltaik-Module mehr Licht an die Pflanzen lassen, der Neigungswinkel der Module kann angepasst werden (zur Optimierung der Lichtausbeute und des Sonnenschutzes), oder das anfallende Regenwasser kann gesammelt und zur gezielten Bewässerung bei Trockenheit genutzt werden (6). Der erzeugte Solarstrom wird entweder im Betrieb selbst verwendet oder in das öffentliche Stromnetz eingespeist.
Auch Agri-PV-Anlagen in vertikaler Bauweise (7) bieten Potenzial: Durch ihren Schattenwurf können sie insbesondere an Hanglagen dazu beitragen, die Bodentemperatur zu senken und damit die Verdunstung zu reduzieren. Für Landwirtschaftsbetriebe, Privatpersonen oder Vereine mit Streuobstflächen über etwa einem Hektar Größe und geringer Hangneigung könnten sich die rechtlichen Rahmenbedingungen für Förderungen und Investitionen im Bereich Agri-PV in den kommenden Jahren verbessern. Eine kontinuierliche Beobachtung dieser Entwicklungen ist daher empfehlenswert.

Mikroakustik
Ein vielversprechendes Forschungsthema des Fraunhofer-Instituts für Keramische Technologien und Systeme (IKTS) ist die Mikroakustik zur Zustandsüberwachung von Bäumen (8). Dabei werden mikroakustische Schallemissionen gemessen, die je nach physiologischem Zustand des Baumes variieren. So kann beispielsweise Trockenstress einen Kapillarkollaps auslösen, der messbare akustische Signale erzeugt. Auch der Saftstrom unterscheidet sich unter günstigen Wachstumsbedingungen deutlich von Anomalien bei Stress oder Wassermangel. Diese Geräusche treten sowohl im hörbaren als auch im nicht hörbaren Frequenzbereich auf und können mit sogenannten Kontaktmikrofonen erfasst werden. Ziel der Forschung ist es, aus den akustischen Messdaten Rückschlüsse auf den aktuellen Zustand des Baumes zu ziehen. Eine Validierung der Messergebnisse soll im Rahmen von Feldversuchen erfolgen – in Zusammenarbeit mit Baumsachverständigen und unter Nutzung drohnenbasierter Multispektralkameras. Die daraus gewonnenen Daten dienen als Grundlage für maschinelles Lernen, um Muster und Korrelationen im Baumzustand automatisiert zu erkennen. Ein weiteres Forschungsvorhaben, das sich mit akustischen Umweltanalysen befasst, ist das Kooperationsprojekt Akustisches Waldmonitoring (AkWamo) (9). Daran beteiligt sind das Museum für Naturkunde Berlin, die Albert-Ludwigs-Universität Freiburg und das Thünen-Institut für Waldökosysteme. Ziel ist es, mithilfe künstlicher Intelligenz akustische Daten – insbesondere die Lautäußerungen von Tierarten – auszuwerten, um Erkenntnisse über den Zustand und die Entwicklung von Waldökosystemen zu gewinnen. Ein vergleichbarer Ansatz könnte auch für Streuobstbestände wertvolle Informationen liefern. Durch die Analyse von Tierstimmen und Klanglandschaften ließen sich ökologische Zusammenhänge besser verstehen und Veränderungen des Bestandszustands frühzeitig erkennen. Verschlechtert sich die Gesundheit der Bäume, so dürfte sich dies in der Artenzusammensetzung und im Verhalten der lautgebenden Tierarten widerspiegeln.



Einsatz von Drohnen
In der Land- und Forstwirtschaft werden Drohnen zunehmend zu einem wichtigen Arbeits- und Forschungsinstrument. Moderne Modelle sind mit Vermessungssoftware und Multispektralkameras ausgestattet, die das sichtbare Spektrum, das nahe Infrarot sowie Wärmebilder erfassen. In Kombination mit Künstlicher Intelligenz (KI) werden sie unter anderem zur Detektion von Misteln eingesetzt (10a, 10b). Darüber hinaus dienen Drohnen der Bestandserhebung, der Erfassung von Umweltdaten sowie der Probenentnahme aus der Luft (11a, 11b).
Drohnenbasierte Probenentnahme und Mistelbekämpfung
Im Projekt WaKieBY der Bayerischen Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft (11a) kommt moderne Drohnen- und Sensortechnik zum Einsatz. Die Probenentnahme erfolgt über einen ferngesteuerten Greifarm, der einen Ast fixiert, während ein integriertes Schnittwerkzeug ihn abschneidet. Anschließend bringt die Drohne die Probe gezielt zu Boden.


Ein visionärer Ansatz besteht darin, ein Drohnensystem zu entwickeln, das Misteln zunächst autonom detektiert und anschließend mechanisch entfernt. Mithilfe eines rotierenden Werkzeugkopfes könnten größere Misteln – insbesondere an hohen, schwer zugänglichen Bäumen wie Pappeln – regelmäßig reduziert werden. Eine Anwendung im dreijährigen Zyklus während der laubfreien Zeit, bevor sich Beeren bilden, könnte die Verbreitung verlangsamen und befallene Bäume teilweise entlasten.
Zwar ließe sich ein vollständiger Befall nicht verhindern, doch wäre die Methode deutlich zeitsparender als manuelle Verfahren und würde auch schwer erreichbare Standorte abdecken.

Automatisierte Datenerhebung
Für die Bestandserhebung können Drohnen mit entsprechender Steuerungssoftware (12) ausgestattet werden. Diese ermöglichen ein systematisches Abfliegen vorgegebener Flächen, während Sensoren kontinuierlich Daten erfassen. Zu den eingesetzten Sensortypen zählen akustische, optische sowie weitere Umweltsensoren zur Messung von:
- pH-Wert,
- Luft- und Bodentemperatur,
- Boden- und Luftfeuchte,
- Luftdruck, Windgeschwindigkeit,
- sowie bio-chemische Parameter.
Die Vernetzung dieser Messdaten mittels KI und Geographischen Informationssystemen (GIS) sowie deren Kombination mit bestehenden Datenquellen, etwa der Bodenschätzung oder dem UFZ-Dürremonitor (13), eröffnet neue Möglichkeiten zur Analyse von Umweltzuständen und Stressfaktoren in Streuobstbeständen.
KI-gestützter Rebschnitt als Vorbild
Ein weiteres Beispiel für den Einsatz von KI in der Praxis ist das Projekt „KI-Rebschnitt“ (14). Hier wurde ein System entwickelt, das mittels Datenbrille, Kamerasystem und KI-gestützter Bildauswertung Vorschläge für Rebschnitte direkt ins Sichtfeld der Anwender projiziert – inklusive begleitender Erläuterungen. Auch wenn dieses System keine professionelle Baumpflege ersetzen kann, bietet es didaktisches Potenzial, etwa für die Schulung und Weiterentwicklung von Schnitttechniken im Obstbau.

Einsatz von Robotern in Agroforstsystemen
Im Bereich der Agroforstsysteme werden zunehmend technologische Ansätze entwickelt, die auch für den Streuobstbau im Kontext des Klimawandels von Bedeutung sein können. Ein Schwerpunkt der Forschung liegt auf der Etablierung von Jungbäumen in Agroforstsystemen (15). Dabei kommen Feldroboter zum Einsatz, die mittels Künstlicher Intelligenz (KI) für ein präzises Beikraut-Management trainiert werden, um junge Pflanzen in ihrer Entwicklungsphase gezielt zu unterstützen.
Auch im Bereich der Robotik treiben zahlreiche Forschungseinrichtungen Entwicklungen für den Obst- und Forstbereich voran. An der Universität Hohenheim wird die Machbarkeit eines robotergestützten Baumschnitts untersucht (16). Ein innovatives Beispiel ist das robotische Baumkletter-System „Avocado“ (17), das sich selbstständig in einem Baum abseilen und dabei Hindernisse umgehen kann. Dieses System demonstriert, wie Roboter zukünftig auch in komplexen Baumstrukturen eingesetzt werden könnten.
Die Agrarrobotik entwickelt sich insgesamt zu einem dynamischen Innovationsfeld. Fachmessen wie die internationale FIRA (18) bieten hierfür ein Forum, auf dem Unternehmen ihre neuesten Entwicklungen vorstellen – darunter auch ein Roboter für das Obstanbau-Management, der Aufgaben wie den Baumschnitt übernehmen kann (19).
Bislang existieren jedoch keine speziell für die Streuobstpflege entwickelten Robotersysteme. Ein wesentlicher Grund dürfte in den begrenzten wirtschaftlichen Anreizen liegen, da Streuobstsysteme im Vergleich zu intensiven Anbauformen über keine finanzstarke Lobby verfügen.
Digitaler Zwilling Deutschlands (DigiZ-DE)
Das Bundesamt für Kartographie und Geodäsie (BKG) entwickelt derzeit den Digitalen Zwilling Deutschlands (DigiZ-DE) (20). Dabei wird das gesamte Bundesgebiet per Laserscanning erfasst, um hochaufgelöste 3D-Punktwolken zu erzeugen. Diese Daten werden mithilfe Künstlicher Intelligenz (KI) klassifiziert und sollen in leicht reduzierter Auflösung künftig als Open Data frei verfügbar sein.
Ein zentrales Ziel des Projekts ist die Einzelbaumerfassung. Dadurch entsteht eine georeferenzierte Geometriedatenbasis für das Objekt Einzelbaum, die deutschlandweit über das Internet kostenlos zugänglich sein wird. Für Streuobst-Bestandserhebungen und das Streuobst-Management stellt DigiZ-DE damit eine wertvolle Datengrundlage dar – insbesondere als Ergänzung zu kleinräumigen Drohnen- oder Feldaufnahmen.
Mit Geographischen Informationssystemen (GIS) lassen sich die erzeugten 3D-Punktwolken beispielsweise zur Kartierung einzelner Streuobstbäume verwenden. Werden diese Daten gezielt um Informationen wie Baumalter, Vitalitätszustand oder Artzugehörigkeit ergänzt, können daraus aussagekräftige Bestandsanalysen und Entwicklungsvergleiche abgeleitet werden. Das BKG plant, die deutschlandweiten Laserscanning-Befliegungen alle drei Jahre zu wiederholen (20). Dieser Rhythmus eignet sich hervorragend, um Veränderungen in Streuobstbeständen langfristig zu dokumentieren und zu bewerten.
Einzelnachweis
1. Bosse, M. (2022, 6.-7. Mai). Tröpfchenbewässerung einer Streuobstanlage in Osterholz/Langenstein [Vortrag]. Streuobstwiesenkonferenz im Internationalen Begegnungszentrum St. Marienthal, Ostritz.
2. Dr. Bosse Traditionsobst (o.J.). Traditionsobst. Abgerufen am 01. August 2023, von https://traditionsobst.de
3. Schonschek, C. (2023). Bewässerung von Streuobstwiesen. Obst & Garten, 142(7), 14-16. 4. Fraunhofer ISE (o.J.). APV-Obstbau – Agri-Photovoltaik als Resilienzkonzept zur Anpassung an den Klimawandel im Obstbau. Abgerufen am 01. August 2023, von www.ise.fraunhofer.de/de/forschungsprojekte/apv-obstbau.html#faq_139623921_faqitem-answer
5. Fraunhofer ISE (o.J.). Forschungsanlage der »Modellregion Agri-Photovoltaik Baden-Württemberg« von Ministerpräsident Kretschmann eröffnet. Abgerufen am 13. Mai 2022, von www.ise.fraunhofer.de/de/presse-und-medien/presseinformationen/2022/forschungsanlage-der-modellregion-agri-photovoltaik-baden-wuerttemberg-von-ministerpraesident-kretschmann-eroeffnet.html
6. Trommsdorff, M., et al. (2025). Agri-Photovoltaik: Chance für Landwirtschaft und Energiewende – Ein Leitfaden für Deutschland. Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE. https://www.ise.fraunhofer.de/de/veroeffentlichungen/studien/agri-photovoltaik-chance-fuer-landwirtschaft-und-energiewende.html
7. Next2Sun (o.J.). Next2Sun Technology GmbH. Abgerufen am 02. August 2023, von https://next2sun.com
8. Schubert, F., Duckhorn, F., Kühmstedt, M., Meyer, P., Reinhold, M., Barth, M., Tschöpe, C., & Heuer, H. (2024). Mikroakustik für das Zustandsmonitoring von Bäumen. Fraunhofer IKTS. https://www.ikts.fraunhofer.de/de/abteilungen/elektronik_mikrosystem_biomedizintechnik/pruef_analysesysteme/ultraschallsensoren_verfahren/fa_mikroakustik_fuer_das_zustandsmonitoring_von_baeumen.html
9. Rölleke, H., Kroiher, F., Hester, Z., Müller, S., Frommolt, K.-H., Jahn, O., Werner, B., Lasseck, M., Asmus, J., & Sanders, T. G. M. (2024). Integration (bio-)akustischer Methoden zur Quantifizierung biologischer Vielfalt in das Waldmonitoring (AkWamo). Thünen-Institut für Waldökosysteme. https://www.thuenen.de/de/fachinstitute/waldoekosysteme/querschnittsgruppen/naturschutz/projekte/integration-bio-akustischer-methoden-fuer-die-quantifizierung-biologischer-vielfalt-in-das-waldmonitoring-akwamo
10a. Universität Bamberg. (o.J.). Kooperationsprojekt BaKIM: KI-gestützte Luftbildauswertung nach Drohnenbeflug von Baumkronen. Lehrstuhl für Kognitive Systeme. Abgerufen am 05. August 2025, von https://www.uni-bamberg.de/kogsys/forschung/projects/bakim
10b. Stadt Bamberg. (2025, 4. September). BaKIM. Smart City Bamberg. Abgerufen am 05. August 2025, von https://smartcity.bamberg.de/kategorie/bewahren/bakim/ 11a. Bayerische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft. (o.J. Wald kompakt – LWF aktuell 150: Dolomitkiefernwälder der nördlichen Frankenalb. https://www.lwf.bayern.de/wissenstransfer/forstliche-informationsarbeit/369127/index.php
11b. Bayerischer Rundfunk. (2024, April 16). Drohnen im Kampf gegen den Mistelbefall [Video]. ARD Mediathek. https://www.ardmediathek.de/video/frankenschau-aktuell/drohnen-im-kampf-gegen-den-mistelbefall/br/Y3JpZDovL2JyLmRlL2Jyb2FkY2FzdFNjaGVkdWxlU2xvdC80MTA2MDY1NzM4MTNfRjIwMjNXTzAxMDQ4M0EwL3NlY3Rpb24vZDIwOGVjZWYtMjdmZS00ZDVlLTljNjgtNzBkMTU4YjMwMTFh
12. U-ROB GmbH. (o.J.). U-ROB – Drohnen-Komplettlösungen, Schulungen & Service. Abgerufen am 07. August 2025, von https://u-rob.com
13. Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung – UFZ. (o. J.). Dürremonitor Deutschland. Abgerufen am 05. August 2025, von https://www.ufz.de/index.php?de=3793714.
14. Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau Rheinland-Pfalz, GDV mbH, Technische Universität Kaiserslautern, Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) Mosel & weitere Projektpartner. (2023). KI-Rebschnitt – Künstliche Intelligenz im Weinbau. Zugriff am 5. August 2025, von https://ki-rebschnitt.de
15. Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde (HNEE). (n.d.). Roots & Robots – Analyse und Bewertung innovativer Methoden zur Etablierung von Jungbäumen in Agroforstsystemen. Abgerufen am 05. August 2025, von https://www.hnee.de/forschung/forschungsprojekte/roots-robots
16. Universität Hohenheim. (2021, 26. Januar). Schaufenster Bioökonomie: Intelligenter Roboter hilft beim Erhalt von Streuobstwiesen [Pressemitteilung]. Abgerufen am 06. August 2025, von https://www.uni-hohenheim.de/pressemitteilung?tx_ttnews%5Btt_news%5D=50448&cHash=d9323f903b5f747d2f4bae1673497584
17. Kirchgeorg, S., Aucone, E., Wenk, F., & Mintchev, S. (2023, November 20). Design, modeling, and control of AVOCADO: A multimodal aerial-tethered robot for tree canopy exploration. IEEE Transactions on Robotics, 40, 592-605. https://doi.org/10.1109/TRO.2023.3334630
18. World FIRA. (n. d.). World FIRA – Global event for agricultural robots in action. Abgerufen am 05. August 2025, von https://world-fira.com 19. PeK Automotive. (2024, 13. Dezember). Winter preparation for your orchard [Blogbeitrag]. Abgerufen am 05. August 2025, von https://pek-agrobot.com/2024/12/13/pek-automotive-unveils-new-2/
20. Bundesamt für Kartographie und Geodäsie. (o. J.). Digitaler Zwilling Deutschland. Abgerufen am 05. August 2025, von https://www.bkg.bund.de/DE/Forschung/Projekte/Digitaler-Zwilling/Digitaler-Zwilling_cont.html